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Im Endeffekt geht es nur um viel Blech

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Im Endeffekt geht es nur um viel Blech

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    Von unserem Mitarbeiter Roland Wiedemann Grainau - Vor eineinhalb Jahren hatten die Tourismusexperten von Paznaun Johann Mühlegg engagiert. Mit seiner Hilfe sollte die Region zu einer wichtigen Langlauf-Destination in Tirol ausgebaut werden. Die Damen und Herren dachten, die meisten Menschen hätten dem Doping-Sünder seine Tat verziehen. Mühlegg war wegen Dopings bei Olympia 2002 in Salt Lake City bestraft worden und hatte seine Sperre verbüßt. 'Wir geben auch Menschen, die einen Fehler gemacht haben, eine zweite Chance und sehen uns nicht als Richter an', erklärt Dietmar Walser vom Tourismusverband und fügt hinzu: 'Uns war nicht bewusst, dass viele Leute, vor allem in Deutschland, immer noch große Probleme mit der Person Johann Mühlegg haben.'Inzwischen hat man in Paznaun Lehren gezogen. Mühlegg, der überaus eigenwillige Allgäuer Skilangläufer, der 2002 zuerst dreimal Gold für Spanien gewann und später wegen einer positiven Dopingprobe alle wieder abgeben musste, wird nicht mehr als Langlauf-Botschafter kommuniziert. 'Mühlegg', sagt Walser, 'arbeitet hinter den Kulissen. Er macht Vorschläge zum Loipennetz, erklärt, worauf Langläufer Wert legen und hilft uns mit seinen Kontakten immer wieder weiter.'Im Hintergrund arbeiten, das mag der gebürtige Marktoberdorfer Mühlegg auch selbst am liebsten. 'Ich genieße es, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen', erklärt der 35-Jährige, der in Grainau bei Garmisch-Partenkirchen zusammen mit Bruder Martin und Mutter Magdalena das Landhaus 'Zum Jeremia' führt. Wie in Mühleggs Leben ist auch in dem Familienbetrieb wieder Ruhe eingekehrt. Die Zahl der Gäste geht nach oben, nachdem nach Bekanntwerden des Doping-Skandals die Einbußen beträchtlich waren. 'Jeder hat mit dem Finger auf uns gezeigt', erinnert sich Martin Mühlegg, Johanns früherer Manager, an die schwere Zeit zurück. 'Johann kapselte sich total ab, versteckte sich. Ich hatte ihm geraten, mehr in die Offensive zu gehen. Aber er wollte und konnte nicht.'Im vergangenen Jahr hat Johann Mühlegg dann noch einmal das Blitzlichtgewitter der Fotografen gesucht; als er sein Buch 'Allein gegen alle' bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf vor versammelter Journalistenschar vorstellte. Danach ist es um 'Juanito', wie er in Spanien genannt wurde, still geworden. 'Das ist auch gut so', findet der Mann mit den großen Augen, mit denen er in der Loipe manchmal so seltsam in die Leere starrte. Glaubt man Mühlegg, dann hat er jetzt, da der Spießrutenlauf beendet ist, wieder seine innere Balance gefunden. Die Doping-Geschichten, von denen der blonde Hüne immer noch behauptet, sie seien das Resultat eines Komplotts, würden ihn nicht mehr belasten. 'Das ist vorbei.' Er hat mit dem unrühmlichen Kapitel abgeschlossen, genauso wie mit dem Leistungssport. 'Ich habe es geschafft, den Schalter umzulegen', sagt Mühlegg. 'Und mir geht es ohne den Wettkampfstress und dem ganzen Drumherum richtig gut.'Zwar trainiert er noch dreimal pro Woche. 'Aber nur, um mich etwas fit zu halten', betont der Gesamt-Weltcup-Sieger des Jahres 2000 und Weltmeister von 2001 - die beiden einzigen wichtigen Titel, die ihm geblieben sind. Als Mühlegg im vergangenen Winter beim Ski-Trail im Tannheimer Tal das erste Mal wieder bei einem Wettkampf in die Loipe stieg, dachten viele schon, das ist der Beginn eines Comebacks. 'Der spanische Verband wollte, dass ich wieder anfange', erzählt Mühlegg. Aber er weigerte sich, das zu tun, was Verbandsfunktionäre von ihm erwarteten. 'Ich bin Hobbyläufer, mehr nicht', ließ Mühlegg die Spanier wissen. Aus Spaß an der Freude ist er auch in diesem Winter bei Volkslangläufen dabei. 'Im vergangenen Winter gab es ein, zwei kritische Stimmen zum Start von Johann', erzählt Michael Keller, OK-Chef des Tannheimer Ski-Trails. 'Heuer war das kein Thema mehr.' Am vergangenen Wochenende war Mühlegg als Zehnter beim König-Ludwig-Lauf in Oberammergau zufrieden: 'Ich muss nicht mehr gewinnen.'

    Keine Wehmut vor dem Fernseher Die Arbeit für den Tourismusverband, im Landhaus 'Zum Jeremia', die Leitung von Trainingscamps und die Hilfe bei der Entwicklung neuer Ski-Modelle - Mühlegg ist nach eigenem Bekunden ein viel beschäftigter Mann. Da bleibe wenig Zeit, um Olympia zu verfolgen. Das eine oder andere Langlauf-Rennen werde er sich aber ansehen. Wehmut? Nein, die werde er vor dem Fernseher nicht verspüren, da ist er sich sicher. 'Ich habe das ja schon alles ein paar Mal erlebt. Ich kenne den Stress und den Medienrummel. Im Endeffekt geht es doch nur um viel Blech.'

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