Seit fünf Jahren Mutter-Kind-Kuren für Familien mit Frühgeborenen in der Sanitas-Fachklinik Westallgäu/Argenbühl (rau). Lukas wollte immer Nudeln mit Sahnesoße. Dieser Wunsch wurde dem Frühgeborenen mit massiven Essstörungen in der Sanitas Klinik Bromerhof in Argenbühl-Isnyberg so oft wie möglich erfüllt. Seit fünf Jahren gibt es in dieser Fachklinik für familienmedizinische Rehabilitation, die 1997 eröffnet worden ist, Kuren für Familien, mit einem ehemaligen frühgeborenen Kind. Dem ärztlichen Leiter Dr. Hartmut Hägele war dies eine kleine Feierstunde als Dank für jene wert, die beim Aufbau dieser Abteilung mitgearbeitet haben.
Als Frühgeborene bezeichnet werden Kinder, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden. Als extrem frühgeboren gilt ein Kind, das vor der 32. Woche zur Welt kommt oder unter einem Geburtsgewicht von 1500 Gramm liegt. Wenn diese Kinder aus der Klinik entlassen werden, gehen die Schwierigkeiten für die Eltern in der Regel erst los. Eine Möglichkeit zur Kur gab es für solche Familien lange nicht, weil die Mutter-Kind-Kliniken 'keine Kinder unter 3 und keine Frühchen wollten', wie Dr. Fritz Porz, leitender Oberarzt an der Kinderklinik Augsburg, berichtete. Für ihn war denn auch Hägeles Vorschlag, solche Kuren in der neuen Sanitas Klinik Bromerhof anzubieten, ein 'Wink des Himmels'. Die Kinderklinik Augsburg begleitet dieses Projekt daher seit Anfang an. 'Wir wurden anfangs durchaus kritisch von den Eltern beäugt', erinnerte sich Hägele in seiner Ansprache. Verbesserungsvorschläge von Eltern würden aber gerne umgesetzt. Über Pfingsten 1998 war der Beginn mit der ersten Gruppe. Mittlerweile sind mehr als 600 Familien mit ehemaligen Frühgeborenen ab mindestens einem Jahr und deren Geschwistern betreut worden. In dieser Form nach wie vor einmalig in Deutschland. 'Eine Frühgeburt beeinflußt das System Familie entscheidend', wie Claudia Jauch, die leitende Psychologin im Bromerhof erläuterte. Die Lebensbedrohung fürs Kind, oft auch für die Mutter, Behinderung oder chronische Erkrankung beim Kind als Spätfolge, der mögliche Tod eines Geschwisters bei Mehrlingsgeburten sind Erfahrungen, die die Familien in der Regel ohne Hilfe nur schwer verkraften. Hinzu kommt, dass meist die gesamte Lebensplanung und die Vorstellungen von Partnerschaft durch die Hilfsbedürftigkeit des Kindes umgeworfen werden. Für besonders wichtig halten deshalb die Ärzte auch die Einbeziehung der Väter. Silke Mader, seit März die Vorsitzende des Bundesverbandes 'das frühgeborene Kind', war 1999 mit ihrem Mann und dem damals zweieinhalbjährigen Lukas zur Kur im Bromerhof. Sie selbst war zu dem Zeitpunkt am Ende ihrer Kräfte gewesen. Lukas war bei der Geburt nur 550g leicht gewesen, seine Zwillingsschwester dabei gestorben und der kleine Junge brauchte seine Mutter die ersten Jahre rund um die Uhr. Bei der Feier konnte sie aus eigener bitterer Erfahrung berichten. Die psychologische Betreuung, der Austausch in der Gruppe und besonders auch das Ernst genommen werden hätten ihr sehr geholfen, erinnerte sie sich an ihren Aufenthalt im Bromerhof. 'Es wird hier verstanden, was wir mitgemacht haben', dankte sie Hägele und seinem Team und fügte hinzu: 'es gab jederzeit alles, was Lukas brauchte.' Eben auch Nudeln mit Sahnesoße.