Wenn sie spricht, muss sie zwischen den Sätzen Pausen einlegen, denn das Atmen fällt der schmalen Frau mit dem halblangen weißen Haar schwer. Bronchialkrebs lautete die Diagnose für die 72-Jährige Anfang September. Doch ihre Worte wählt die frühere Maskenbildnerin, die Ruhe und Würde ausstrahlt, sorgfältig: "Ich kämpfe nicht mit dem Tod. Ich stehe da, sehe ihn und dahinter eine riesige Lichtgestalt."
Ihre 37-jährige Tochter, als Schauspielerin auch Klinikclown und im Umfang mit Schwerstkranken vertraut, umfasst die rechte Hand ihrer Mutter mit beiden Händen. Viel haben sie miteinander gesprochen, seit sie mit der Diagnose konfrontiert wurden. Viel und offen. Nicole hat Hamburg sofort verlassen, als sie von der Krebskrankheit erfuhr, und steht seither ihrer Mutter bei. Für beide ist es ein "Geschenk, ehrlich miteinander umzugehen, offene Problematik oder Missverständnisse klären zu können", bevor es zu spät ist. "Das hilft beim Loslassen." Auch wenn heftige Gespräche, Tränen, Wut und Trauer nicht fehlten und beide an ihre Grenzen gestoßen sind.
Anfang Dezember ging die Todkranke - nennen wir sie Eva, weil sie ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht haben will - ins Hospiz. Das Schwinden ihrer Kräfte, ihrer Selbstständigkeit, die Schmerzen lösen in ihr nur noch selten Wut und Trauer aus. Die außergewöhnliche Frau gewinnt ihrem Zustand sogar positive Seiten ab: Sie fühlt sich aufgehoben in der "professionellen und sehr herzlichen Hilfe mit hoher Philosophie". Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie ihr "wunderschönes Zuhause mit all den vielen Erinnerungen" verlassen hat, um im neutralen Bereich des Hospizes erneut ein Stück von ihrem "reichen Leben mit allen Höhen und Tiefen" loslassen zu können. Und sie freut sich über die gemeinsame Zeit, die sie mit ihrer Tochter hat und die sie nutzen.
"Verlängerung - aber wohin?"
Fast liebevoll, auf jeden Fall humorvoll nennt Eva die Krankheit, die sie zum Tod führt, "meinen Kasimir". Eine Chemotherapie kam für sie nicht in Frage: "Das bedeutet nur eine Verlängerung, aber wohin? In ein schmerzhafteres, unwürdigeres Geschehen." Der Tod gehört für sie zum Leben, nicht erst, seit sie die einjährige Ausbildung zur Hospizbegleiterin selbst absolviert hat.

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So bewusst und vertrauensvoll in eine für sie gewisse Zukunft nach dem Tod wie Eva sind nur wenige der Schwerstkranken, die Schwester Doreén in den Sterbemonaten begleitet hat, gegangen. Irgendwann in den letzten 15 Jahren hat Schwester Doreén aufgehört zu zählen, wie vielen Menschen sie beistehen durfte.
Dabei geht es nicht nur um Gespräche, Gesten und Mitgefühl, ums Vermitteln von menschlicher Nähe und Zuwendung, sondern auch um Schmerzmittel und deren Dosierung, ein Gebiet, auf dem sie mittlerweile ein begehrter Ratgeber für Hausärzte ist. Zunehmend möchte sie im Rahmen des vom Hospizverein aufgebauten Hospiz-Palliativ-Zentrums mehr Schwerstkranken das Sterben zu Hause ermöglichen. Und sie ist sicher: kein Schwerkranker sucht aktive Sterbehilfe, wenn er optimal versorgt, begleitet und mit Schmerzmitteln eingestellt wird.
Für Eva war Weihnachten immer ein Fest mit besonderer Bedeutung, von Kindheit an. In diesem Jahr hat sie den Advent um eine Woche vorverlegt, "weil ich glaube, dass ich es nicht mehr schaffe, Weihnachten noch zu erleben".
Eva ist am Freitag, 12. Dezember, im Beisein ihrer Tochter und Schwester Doreén gestorben.