Von Ulrich Weigel Fischen/Council Bluffs Kein Vergleich mit den beschaulichen Gymnasien im Oberallgäu: 'Wenn es um Sicherheit geht, ist es hier ziemlich streng', sagt Lisa Holzberger. ,Hier' ist in diesem Fall nicht in Fischen, der Heimat der 17-Jährigen, sondern im amerikanischen Bundesstaat Iowa, an der 'Lewis Central High School' in Council Bluffs. Dort geht die junge Frau im Rahmen eines einjährigen Austauschs derzeit zur Schule. Nach dem blutigen Amoklauf in Virginia sprachen wir gestern mit ihr über Sicherheitsbestimmungen an amerikanischen Schulen und die Bedeutung von Waffen in der Zivilbevölkerung.
Kameras sogar in Duschen
'Man ist nie unbeobachtet', erzählt Lisa Holzberger. Die 'Lewis Central High School' besuchen rund 1000 Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren. Dort seien überall Kameras, sogar auf den Toiletten und Duschen. Wobei die Kameras der Sanitärräume nicht auf Bildschirme übertragen werden. Nur wenn man nach einem Vorfall Aufnahmen bräuchte, wären sie greifbar. Sicherheitskräfte gibt es an der Schule zwei, die auf den Gängen kontrollieren und Bildschirme beobachten. Nach Schulbeginn, so Holzberger, würden alle Eingänge verschlossen und es geht nur durch eine Tür ins Haus. Dabei müssten selbst Eltern einen Besucherpass haben, wenn sie etwa ein Kind abholen.
Je nach Lehrer werden während des Unterrichts teilweise sogar Klassenzimmer von innen abgesperrt. Und das, so Lisa Holzberger, sollte man als Schüler eigentlich auch nie verlassen. Wer während des Unterrichts doch auf die Toilette muss, erhält vom Lehrer ebenfalls einen 'Pass'. Ob solche Sicherheitsmaßnahmen nicht nervös machen? Lisa Holzberger verneint: 'Ich fühl' mich hier echt super sicher!' Auch ihre Mitschüler machten sich in der Schule kaum Sorgen, sondern eher beim Ausgehen abends. Denn da seien in der Umgebung mehrfach Menschen erschossen oder erstochen worden.
Beispiele hat die Fischingerin einige parat. So habe etwa ein Mann seinen Neffen beim Spielen erschossen, weil er ihn für einen Einbrecher hielt. Als Lisa Holzberger vor kurzem im Unterricht einen Zeitungsartikel vorstellen sollte, der sie beschäftigt, entschied sie sich für den Fall eines vermissten Mädchens. 'Das hat die in meiner Klasse aber nicht wirklich interessiert, da das schon was fast Normales ist und sie nicht selbst betrifft.' Interessanter seien da für viele Vorfälle an der eigenen Schule - etwa ein Jugendlicher, der vor wenigen Tagen an einer Überdosis Schmerzmittel starb.
Gar kein Problem ist es offenbar, sich Waffen zu beschaffen. In Iowa sei es auch erlaubt, dass Über-18-Jährige Waffen im Auto haben, wenn sie nur 'ordnungsgerecht' eingepackt sind. Jugendliche bekämen Waffen zwar nicht im Laden, aber privat. Jeder könne etwa Pistolen kaufen oder verkaufen, ohne dass das jemand mitbekommt, schildert die 17-Jährige die Auswirkungen des amerikanischen Waffengesetzes. In der örtlichen Tageszeitung etwa gebe es deutlich mehr Anzeigen privater Waffenverkäufe als beispielsweise Tieranzeigen im gesamten Allgäuer Anzeigeblatt.
Froh ist die Gymnasiastin, dass zumindest ihre Gastfamilie keine Schusswaffen hat. Ihr Gastbruder habe dafür scharfe Schwerter und Speere über dem Bett hängen. 'Das ist hier völlig normal; die meisten Sachen haben ihm sein Vater und sein Onkel geschenkt.' Wie sorglos der Umgang mit Waffen immer wieder ist, zeigen weitere Erfahrungen: Bei einem Treffen mit anderen Austauschschülern in Amerika übernachteten etwa 20 Jugendliche bei einer Familie in einem großen Raum. Darin stand ein Waffenschrank mit drei Gewehren - 'natürlich nicht abgesperrt', sagt Holzberger. Und auch in Iowa ist für so manchen der Gang auf den Schießplatz eine ganz normale Freizeitbeschäftigung.