Porträt Gerhard Bäuml baut leidenschaftlich gern an seiner Modelleisenbahn-Anlage - 100 Lokomotiven">

Artikel: "Ich bin einer dieser Narren"

8. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Porträt Gerhard Bäuml baut leidenschaftlich gern an seiner Modelleisenbahn-Anlage - 100 Lokomotiven

Von Sylvia Rustler |OttobeurenEs ist Winter. Winter 1954. Der sechsjährige Gerhard Bäuml aus Ottobeuren will Lokomotivführer werden. Jeden Tag steht vor dem Spielwarengeschäft in der Bahnhofsstraße und träumt vor sich hin. Er träumt von der kleinen Modelleisenbahn-Anlage, die im Schaufenster aufgebaut ist. Dann kommt Heiligabend, ein Glöckchen klingelt, das Christkind war da. Der Sechsjährige traut seinen Augen kaum: Unter dem Christbaum stehen eine Dampflok, ein paar Waggons und Schienen.

So fing sie an, seine große Leidenschaft für Modelleisenbahnen. "Bis heute ist es für mich kein Weihnachten, wenn keine Lokomotive unter dem Baum liegt", sagt der mittlerweile 60-jährige Mann, streichelt seinen weißen Bart und schmunzelt: "Meine Frau verzweifelt fast."

Inzwischen hat Bäuml, der vor genau 20 Jahren den Günztal-Museumsbahnverein mit aus der Taufe gehoben hat (siehe Infokasten), an die 100 Lokomotiven. "Ich bin in Ottobeuren bekannt wie ein bunter Hund. Ich bin einfach der mit der Eisenbahn." Für Kinder aus dem Ort repariert Bäuml Loks und Waggons. Oft feilt er auch an seiner eigenen großen Anlage im Keller.

Kabel, Schalter und Kontrolllämpchen

Vor einer himmelblau gestrichenen Wand mit Wolken entfaltet sich hier eine Berglandschaft im Miniaturformat. Eine Zahnradbahn surrt durch einen Tunnel hinauf ins Bergdorf St. Nikolaus. Ein winziger Pfarrer mit gelbem Köfferchen und sein Zögling warten. Im Tal zischt ein cremefarbener Transalpinzug in Richtung Baumberg, der Stadt, die Bäuml nach seinem Spitznamen "Baum" benannt hat. Gut verdeckt: etliche Kabel, Schalter und Kontrolllämpchen.

Bäuml fasziniert es, "etwas, das man in der Natur sieht, nachzubauen". Und ihn fasziniert die Technik, die nötig ist, "damit´s nicht scheppert", wenn er fünf Züge gleichzeitig fahren lässt. "Irgendwann kommt dann auch das Spielen", sagt der 60-Jährige. "Aber bis dahin muss man viel basteln und das ist das Schönste."

Hat der Finanzbuchhalter Ärger in der Arbeit, geht er zuhause erst einmal fünf, zehn Minuten in den Keller und lässt seine Bahnen eine Runde drehen. "Danach kann man wieder mit mir reden. Natürlich fluche ich auch mal, wenn was nicht funktioniert. Aber alles in allem finde ich eine unheimliche Ruhe. Es ist verrückt, aber man fühlt sich in eine heile Welt versetzt. Eine heile Welt, die man sich selbst aufbauen kann."

Frau quadratzentimeterweise Platz abgerungen

Mittlerweile stößt Bäuml aber an Grenzen. Der Keller ist voll. "Es gibt jetzt keine Erweiterungsmöglichkeit mehr. Ich habe meiner Frau im Keller quadratzentimeterweise Platz abgerungen", sagt er und lacht.

Seine Leidenschaft für Modelleisenbahnen und das große Engagement im Kreis der Miniatur-Liebhaber nimmt Bäuml mit Humor: "Ich bin halt einer dieser Narren." Träumen, so wie damals vor dem Schaufenster, tut er aber auch heute noch. Der 60-Jährige würde gerne einmal ein Eisenbahnmodell bauen und einem Stück Metall eigenhändig "Leben einhauchen". "Aber ich bin ein Schreibtischtäter und habe kein handwerkliches Geschick."