Lindenberg | sen | Mevlit Can steht an einer großen Pfanne und rührt kräftig darin um. Schließlich soll ja nichts anbrennen, wenn schon einmal einige deutsche Gäste zusammen mit ihren türkischen Mitbürgern das abendliche Fastenbrechen im Fastenmonat Ramadan feiern. Neben ihm steht Songül Gül und betrachtet zufrieden die etwa 50 Personen im Gemeinschaftsraum des Türkischen Kulturvereins, die darauf warten, dass der "Hodscha" als islamischer Religionsgelehrter ein Dankgebet spricht und das Festmahl eröffnet. Schließlich ist sie seit fünf Uhr früh auf den Beinen und hat - nur unterstützt von einigen Helferinnen - die Köstlichkeiten des kalten Büffets, große Töpfe mit Gulasch und Suppe sowie zahlreiche süße Gaumenfreuden zubereitet.
Nach annähernd zwölfstündigem Fasten - Fasten ist die sogenannte vierte Säule des Islam - dürfen Muslime, jetzt nachdem die Sonne hinter dem Bodensee verschwunden ist, wieder essen, trinken und auch rauchen. "Normalerweise macht das jede Familie für sich zu Hause, aber an besonderen Tagen treffen wir uns hier im Gemeindezentrum, um gemeinsam das Fastenbrechen zu feiern", erklärt Zülfikar Can, der Vorsitzende des Türkischen Kulturvereins. Knapp 100 Mitglieder zählt der Verein, dessen Gemeinschafts- und Gebetsräume in der Gebhard-Huber-Straße untergebracht sind.
Dass heute deutsche Gäste, darunter Lindenbergs Bürgermeister Johann Zeh, beim Fastenbrechen anwesend sind, freut Zülfikar Can besonders: "Wir leben und arbeiten zusammen - da können wir uns doch auch ruhig einmal zum gegenseitigen Kennenlernen und Verstehen zusammensetzen. Wir bieten dabei nicht nur traditionelle Speisen an, sondern geben auch Einblicke in unsere Lebensart und unsere Kultur."
Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nichts essen, trinken, rauchen: Strenge Fastenregeln beherrschen den Fastenmonat Ramadan. Neben den erlaubten Ausnahmen für Schwangere, Kranke oder Reisende, gibt es aber auch einige Muslime, die das Fastengebot nicht in all seiner Strenge befolgen können. "Wichtig ist dabei, dass man die strenggläubigen Muslime keinesfalls brüskiert oder sich respektlos zeigt.
Gegenseitige Rücksichtnahme garantiert ein reibungsloses Zusammenleben", sagt Cigdem Ochsenreiter-Gül, die mit Ehemann Thomas und ihrem fünfjährigen Sohn Marco-Danyel aus Weiler zum Fastenbrechen gekommen ist. Die Familie der in Kempten geborenen 33-Jährigen lebt bereits in der dritten Generation in Deutschland.

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Obwohl sich Musa Gül streng ans Fastengebot hält, zeigt bei ihm die Waage am Ende des Fastenmonats immer etwas mehr als zu Beginn an. Als Erklärung führt der 55-Jährige seine Nachtschichten bei der Firma Hochland an: "Tagsüber, wenn ich nichts essen und trinken darf, ruhe ich mich sowieso aus. Wer aber tagsüber körperlich hart arbeitet und abends frei hat, der nimmt deutlich ab.
" Gül gibt zu, dass man während des Ramadans schon "massig" werden könne: "Vor allem die Raucher sind nervös, aber das einzige Rezept ist: ruhig bleiben."
Als gegen halb zehn Uhr abends und nach etlichen Gläschen Tee, kräftig gewürzten Hackfleischbällchen, leckeren Suppen, scharfen Beigaben und himmlisch-süßen Nachspeisen der Hodscha die Muslime in den Gebetsraum ruft, ist Songül Gül mit ihren Helferinnen schon mittendrin im Aufräumen und Abwaschen. Seit gut 16 Stunden ist sie jetzt auf den Beinen und ziemlich müde, wie sie zugibt. Auch sie dürfte zu jenen gehören, die - zumindest heutem - abgenommen haben.