Kempten (bil). - Im Prozess gegen den Sonthofener Krankenpfleger Stephan Letter hat gestern der Chefarzt der Klinik im Zeugenstand die Aussage verweigert. Mehrere Angehörige mutmaßlicher Opfer des Angeklagten schilderten, dass der Pfleger sie überschwänglich getröstet habe - kurz nachdem er ihre Mutter oder Oma laut Anklage zu Tode gespritzt hatte. Der Chefarzt des Sonthofener Krankenhauses erschien mit seinem Anwalt im Zeugenstand. Dieser teilte mit, dass sein Mandant von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Hintergrund sind laufende Ermittlungen gegen den Chefarzt. Die Staatsanwaltschaft geht der Frage nach, ob er sich durch die Abgabe-Praxis von Arzneien strafbar gemacht hat. Der 27-jährige Angeklagte soll 29 Menschen mit Medikamenten getötet haben, die er aus der Klinik gestohlen hatte. Mehrere Zeugen schilderten, dass sie Stephan Letter am Krankenbett ihrer Angehörigen als einen besonders aufmerksamen Krankenpfleger erlebt hätten. Sie seien der Meinung gewesen, dass er sich besonders intensiv um die Patienten gekümmert habe. Eine Frau erzählte, dass sie sich sogar mit einer Flasche Wein bei ihm bedankt habe, weil er nach einem Atemstillstand die Wiederbelebung ihrer Mutter so schnell eingeleitet habe. Was sie damals nicht wusste: Laut Anklage hat der Pfleger den Atemstillstand bewusst mit einer Injektion hervorgerufen, damit die Patientin in ein anderes Zimmer verlegt wird.
Seine Freundin hatte sich zuvor über die Frau beschwert. Sie teilte mit der 76-Jährigen damals das Zimmer. Auch eine andere Angehörige sagte, 'er hat sich ausgesprochen fürsorglich verhalten. Ich habe gedacht, meine Mutter ist endlich gut aufgehoben.' Ihr selbst habe er Kaffee und Wasser gebracht, sie später in den Arm genommen, getröstet und an das Sterbebett ihrer Mutter begleitet. In dem Moment habe sie sich sehr getröstet gefühlt. 'Umso schlimmer war es, als ich erfahren habe, was wirklich passiert ist. Das macht mir bis heute Probleme', sagte die Frau. Sie befindet sich aufgrund der traumatischen Ereignisse bis heute in psychologischer Behandlung. Mit den Aussagen eines Arztes, der in seinem Bereitschaftsdienst Patienten der Station eins betreute, versuchte das Gericht die genauen Todesumstände eines Patienten zu rekonstruieren, der leblos auf der Toilette aufgefunden wurde. Laut Anklage hat Stephan Letter den 68-Jährigen getötet. Das bestreitet der ehemalige Pfleger jedoch. Der Arzt konnte weder das eine noch das andere ausschließen: Es sei möglich, dass der 68-Jährige nach einer Hirnblutung starb. Es könne aber auch sein, dass er mit einer Spritze getötet wurde, so der Zeuge.