Von A. Paul, Kempten - Seine Zimmernummer in der Stadtverwaltung? 'Moment, da muss ich mal nachschauen.' Mit Nebensächlichkeiten hat sich Helmut Mölle bis zu seinem letzten offiziellen Arbeitstag am vergangenen Freitag nie abgegeben. Dafür hätte der Mann der großen Zahlen - der übrigens zu jenen Auserwählten gehört, die ihre Steuererklärung allein zustande bringen - auch gar keine Zeit gehabt. Denn als Kemptener Finanzreferent hatte er 18 städtische Haushalte maßgeblich zu verantworten. Und dabei, nimmt man die Stiftungsetats hinzu, alles in allem die gigantische Summe von rund zweieinhalb Milliarden Euro bewegt.
Abschalten war kaum drin Wobei der langjährige Stadtkämmerer (kommissarisch seit Dezember 1986, offiziell seit März 1987) hinter den Zahlen 'immer gesehen hat, wofür das Geld verwendet wird und was die Stadt für ihre Bürger tun kann'. Abschalten sei bei dem Beruf kaum drin, denn 'im Kopf ist man eigentlich immer im Dienst'. Am härtesten seien die letzten beiden Jahre gewesen: Wenn man sehe, wie Kollegen durch Stelleneinsparungen direkt betroffen sind, und man doch nicht anders könne, dann sei das 'ganz, ganz bitter'. Was kann ein erfahrener Stadtkämmerer seinem Nachfolger (der übrigens noch nicht gefunden ist) in dieser Lage empfehlen? 'Kühlen Kopf bewahren und die Hoffnung nicht aufgeben.' Ursprünglich hatte Helmut Mölle, vor 63 Jahren in Kottern geboren, etwas ganz anderes werden wollen: Kriminaler. Doch angesichts der 'Einheitslaufbahn' bei der Polizei beschlich den aufstiegswilligen jungen Mann das Gefühl: 'Das dauert mir zu lange.' Nach fünf Jahren quittierte Hauptwachtmeister Mölle den Dienst und ging zur Bundeswehrverwaltung nach München. 1974 aber wurde ihm klar: 'Ich will wieder nach Kempten, weil ich ein Kemptener bin.' Dort wurde er Abteilungsleiter Haushalt, 1979 Chef des Kämmereiamts und schließlich Finanzreferent. Was ihn aber nicht etwa dazu verleitete, nun auch noch die Finanzhoheit im Hause Mölle zu beanspruchen: 'Das macht seit 40 Jahren meine Frau, sie ist eine sehr penible Rechnerin.' Langweilig wird es Helmut Mölle im Ruhestand ganz bestimmt nicht werden. Denn erstens will der begeisterte Freizeitsportler seine Hobbys, die wegen der Arbeit lange Jahre zu kurz gekommen sind, jetzt wieder intensivieren: Skitouren im Winter, Radeln und Bergwandern im Sommer. Zweitens warten jede Menge 'Haus- und Hofarbeiten' auf Erledigung. Denn in der Versorgung mit Obst und Gemüse, so der gesundheitsbewusste Gartler, 'sind wir fast autark und wollen es bleiben.'
Künftig 'auf der anderen Seite' Außerdem hat Mölle kürzlich 'als Seiteneinsteiger' auch noch ein verantwortungsvolles Amt übernommen: Er ist jetzt Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks. So einer Funktion, wenn sie einem angetragen wird, kann sich jemand wie Helmut Mölle nicht entziehen. Denn er ist überzeugt: 'Wenn der Staat sich immer mehr aus den sozialen Aufgaben zurückzieht, ist privates Engagement gefordert.' Künftig steht er also, wenn es wieder um Zuschusskürzungen für gemeinnützige Organisationen geht, 'auf der anderen Seite'. Die Stadträte sollten sich beizeiten auf detailgetränkte Gegenrechnungen einrichten.