Gerade mal eine Woche ist es her, dass die Familie Häfele fast alles verloren hat. Haus und Hof, Kleidung, Möbel und viele Dinge, die entweder schlicht zum praktischen Leben gehören oder als Erinnerungsstücke besonderen Wert besitzen. Ein Blitz schlug ein in ihr Haus in Itzlings (Gemeinde Hergatz) und innerhalb weniger Minuten stand alles in Flammen. Sieben Tage nach dem Unglück sitzt Anette Häfele in der Küche ihres Übergangsheims und erklärt, was ihr immer wieder durch den Kopf geht: "Wie können wir nur all das wieder gut machen, was uns jetzt geholfen wird?"
Es ist der erste Tag seit dem Brand, an dem Anette Häfele und ihre 21-jährige Tochter Stefanie endlich mal ein bisschen Zeit dafür finden, sich ein wenig einzurichten in der Wohnung, die der fünfköpfigen Familie vom Schwager zur Verfügung gestellt wurde. Immer wieder schaut jemand vorbei an diesem Nachmittag, bringt frisch gebackene Hefeschnecken oder das neue Handy vorbei oder stellt einfach eine schön bepflanzte Blumenschale vor die Haustür. "Wir sind so getragen - wir kommen gar nicht dazu, in ein Loch zu fallen", so Anette Häfele. Sie spricht von einer "unbeschreiblichen Hilfsaktion" und staunt beim Erzählen immer wieder, wie viele Menschen sich engagieren, um die fünfköpfige Familie nicht alleinzulassen mit ihrem Scherbenhaufen.
"Uns standen alle Türen offen"
"Das fing schon an in der Brandnacht. Da standen in Itzlings alle Türen offen. Wir hätten überall unterkommen können", erzählt die 45-jährige Bäuerin. Geschlafen haben sie dann bei Schwester und Schwager in Grünenbach. Jemand hat den Häfeles in dieser Nacht ein Schlafmittel empfohlen. Seither haben sie keines mehr genommen.
Von dem, was verloren ist, spricht Anette Häfele kaum. Wenn sie danach gefragt wird - die Betten etwa oder der Computer - fügt sie stets an: " aber das ist nicht so wichtig". Dafür sprudelt sie nur so, wenn sie ausführt, wie die Dinge ineinander laufen, wie Verwandte, Freunde und die Dorfgemeinschaft immer genau wissen, was fehlt, wo sie helfen, was sie organisieren können. "Es war immer etwas zu Essen da während der ersten Tage, als die Feuerwehr Brandwache halten musste", staunt sie im Nachhinein.
Über Nacht habe jemand eine Milchwanne organisiert. Denn in dem neuen, glücklicherweise leerstehenden Stall, in dem die 55 Kühe der Häfeles Platz gefunden haben, war alles vorhanden - außer der Milchwanne eben. Josef Häfele und seine Söhne Manuel und Florian haben bis heute Helfer im Stall. Ihre Tiere müssen sich an die Situation erst gewöhnen. Im alten Hof in Itzlings waren sie einzeln angebunden, jetzt bevölkern sie einen modernen Laufstall und werden im Melkstand gemolken.
Glück im Unglück. Diese abgedroschene Floskel trifft irgendwie zu auf das Schicksal der Itzlingser Familie Häfele.
Nach dem unbeschreiblichen Unglück, das ganze Hab und Gut niederbrennen zu sehen, erlebte sie das Glück, in kürzester Zeit knapp zwei Kilometer entfernt von der Heimat eine - wenn auch beengte - Unterkunft zu finden, und drei Kilometer entfernt, in Obermooweiler, stellte ihr die Familie Traut einen Stall zur Verfügung.
Sie seien noch mehr zusammengewachsen, sagen die Häfeles. Alle helfen zusammen. Die Arbeitgeber von Stefanie Häfele und der ihres Bruders Manuel (24) zeigten Verständnis und gaben ihnen ein paar Tage frei. Der jüngste, Florian, steckt gerade mitten in der Abiturprüfung. Er möchte die Landwirtschaft zum Beruf machen.
"Eine Leere"
Natürlich haben die Häfeles die Katastrophe als Schock erlebt. Sie alle können die entscheidenden Stunden nur bruchstückhaft rekapitulieren. Anette Häfele spricht von einer "Leere", die sie anfangs empfunden habe. Ihre Tochter Stefanie tut sich schwer beim Einschlafen. "Ich hab zu viel Zeit zum Nachdenken", vermutet sie. Und die Familie geht vor allem einer Überlegung aus dem Weg: Was passiert wäre, wenn der Blitz zwei Stunden später eingeschlagen hätte, wenn alle schon geschlafen hätten. Diesen Gedanken spinnen sie nicht zu Ende.
Von ihrem Hab und Gut konnte nur wenig gerettet werden. Außer der Schuhe haben sie so gut wie keine Kleider mehr. "Alles, was ich am Leib trage, ist ausgeliehen", sagt Anette Häfele. "Aber das ist nicht so wichtig.
" Einige wichtige Unterlagen, etwas Wäsche, Geschirr und Besteck haben Helfer aus dem brennenden Haus herausgetragen. In Schachteln und Säcken lagert es bei Nachbarn und bei den Eltern, die erst gestern wieder in das nebenstehende, unbeschädigte Austragshaus gezogen sind.
Inzwischen haben Josef Häfele und seine Helfer, soweit die Einsturzgefahr das zulässt, in der Brandruine nochmals nach Brauchbarem gesucht. Und sind auch fündig geworden. "Sie haben mir die Fotos wieder gebracht", strahlt Annette Häfele. In angekokelten Alben. Ein schönes Luftbild des Hofes und die Familienfotos. "Seit ich die Kinderbilder wiederhabe, geht es mir viel besser. Das hätte mir niemand ersetzen können.
" Kaum beschädigt ist auch die schöne Haustür des alten Bauernhauses, in dem die Familie 20 Jahre lang lebte. Die soll im neuen Haus eingebaut werden - damit auch "was Eigenes" da ist.
Unglück als Neuanfang
Wenn Josef und Anette Häfele in dem angemieteten Stall in Obermooweiler ihre Tiere versorgen - bis auf acht Schumpen haben alle den Brand überlebt - denken sie über ihre Zukunft nach. Den Bauersleuten gelingt es bereits, sich irgendwie zu freuen auf den neuen Stall, den sie bauen möchten, mit moderner Technik, die das Arbeiten erleichtert.
"Ich versuche, unsere Situation als Neuanfang zu sehen", so Anette Häfele. Noch heuer, so hofft die Landwirtsfamilie, soll mit dem Bauen begonnen werden. "Erst kommt der Stall dran, erst muss das Vieh heimkommen", sagen sie. Nicht eine Sekunde hätten sie daran gedacht, ihr Leben als Bauern aufzugeben.