Wertach: Hier lernen erschöpfte Frauen, etwas für sich zu tun

9. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Jubiläum - Seit 100 Jahren sind die Franziskus-Schwestern in Wertach - Sie führen das "Mütterheim"

"Mir macht die Arbeit hier großen Spaß - denn sie hat einen Nutzen und einen Sinn", sagt Schwester Hildegard Braun und strahlt. Sie leitet seit vier Jahren die Fachklinik St. Marien in Wertach und lebt und arbeitet dort gemeinsam mit fünf weiteren Franziskus-Schwestern von Vierzehnheiligen. Seit hundert Jahren ist der Orden in Wertach und dieses Jubiläum soll am Samstag gefeiert werden.

In der Fachklinik werden Frauen betreut, die am Erschöpfungssyndrom leiden. So wie eine Patientin aus dem Emsland: Vier Kinder, Berufstätigkeit und eine seit sechs Jahren pflegebedürftige Schwiegermutter haben sie an den Rand ihrer Kräfte gebracht. "Meine Reserven sind aufgebraucht", sagt sie.

Einen klaren Kopf bekommen

In Wertach lerne sie, wieder "einen klaren Kopf zu bekommen". Dabei sei es gar nicht einfach, plötzlich so viel Ruhe und Zeit für sich zu haben. "Man muss erst lernen, alleine zu sein - normalerweise ist man ja immer für die Familie da", erzählt die Frau. Eine Mitpatientin nickt.

Sie ist in der Klinik, weil ihr alles zu viel wurde: Drei Kinder, wovon eines krank und eines lernbehindert ist, die Arbeit, der Tod des Vaters - "irgendwann wird man nicht mehr fertig damit", beschreibt sie ihre Situation. Die Frauen nutzen die Zeit in der Klinik, um Kraft zu tanken, gesund zu werden und zu lernen, etwas für sich zu tun. Im Alltag sei man schließlich "eine Meisterin im Verdrängen", sagt eine Patientin - hier habe man den Raum, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Als Ansprechpartner dienen den Frauen außer den Ärzten auch die Schwestern. Diese haben allerdings neben seelsorgerischen auch noch andere Aufgaben: Eine steht zum Beispiel in der Küche, eine arbeitet an der Rezeption, eine ist Physiotherapeutin.

Schwester Hildegard baut darauf, dass das noch lange so bleiben wird: "Es sind bereits junge Schwestern in der Ausbildung, die dieses Werk hoffentlich weiter tragen werden." Sie selbst ist seit 15 Jahren in Wertach und hat die Erfahrung gemacht, dass heute der Druck auf die Frauen groß ist. "Wir haben viele Patientinnen, die ganztags berufstätig und alleinerziehend sind", erzählt sie. "Heute kommen die Frauen viel kränker zu uns als früher." Das liege auch daran, dass eine Kur nicht mehr so schnell bewilligt wird. Und "Erschöpfung kann man nicht so sehen." In die Klinik kommen die Frauen ohne den "Arbeitsplatz Familie", wie Schwester Hildegard es nennt. Denn wenn eine Mutter erschöpft sei, brauche sie Abstand.

ZumJubiläum findet am Samstag, 10. Januar, ein Tag der offenen Tür statt. Um 10.30 Uhr ist Gottesdienst, nachmittags gibt es Führungen durchs Haus.