Dr. Hermann Stoller berichtet über das Patscheider-Haus Lindenberg (fee). 'Eigentlich kann man die Geschichte des Patscheider-Hauses ganz einfach aufteilen: 100 Jahre Bäckerei, 100 Jahre Haushalts- und Eisenwaren, dazwischen einmal Hutindustrie', stellte Dr. Hermann Stoller fest. Vier Jahre lang gehörte das Gebäude auch dem späteren Lindenberger Bürgermeister Josef Fehr. Zwanzig interessierte Lindenberger waren gekommen, um sich die Geschichte anzuhören und mit zu 'dischkurieren.'
Der Lindenberger Heimatforscher erzählte im Rahmen des neu errichteten Arbeitskreises 'Heimatgeschichtliche Hoschtube' der Volkshochschule über die wechselvolle Geschichte des Hauses und seiner Menschen. Daneben erläuterte er die im 18. und 19. Jahrhundert praktizierte Hausnummerierung der Bergstadt. Das Patscheider-Haus an der Hauptstraße ist eines der wenigen noch erhaltenen Bürger- und Handwerkerhäuser, die aus der österreichischen Zeit stammen. Die Entstehung lasse sich ziemlich genau auf 1790 festlegen, so Dr. Stoller. Es sei das dritte Haus gewesen, das nach dem 'Seelen-Beschrieb' von 1787 von Pfarrer Wettach erbaut wurde. Johann Martin Rädler war der erste Besitzer. Er hat im gleichen Jahr auch geheiratet. 1805 kam er in Geldnöte und verkaufte einen Teil des Hauses an Josef Wagner von Goßholz. Zum Vergnügen der Zuhörer las Dr. Stoller immer wieder Passagen aus Verträgen oder Verhandlungen vor. In dem betreffenden Kaufvertrag wurde unter anderem akribisch genau festgehalten, dass der Käufer tagsüber um das Haus herumlaufen musste, wenn er etwas ins 'Lacheloh' leeren wollte. Nachts dagegen durfte er den Inhalt seines Botschamberls vom Fenster aus entsorgen. Etwa ein Drittel von den hundert Jahren Bäckerei war sie in Händen der Familie Rädler. Für die Lindenberger Geschichte war von den 19 Kindern des Johann Martin Rädler der bedeutendste Nachkomme sein Sohn Alois. Er war gelernter Bäcker, wurde aber dann Käsegroßkaufmann. Im Alter von 63 Jahren hat er außerdem die Spinnerei und Weberei in Bremenried gegründet. Von ihm gingen die Dynastien der Kuh-Rädler, Käs-Rädler und Elektro-Rädler hervor. Auf die Rädlers folgte eine Familie König. Zu der Zeit gab es schon drei 'Könige' in Lindenberg: die Besitzer der Gasthäuser 'Krone', 'Kreuz' und 'Rössle'. 1844 heiratete der Scheidegger Bäcker Gallus Hitz die Tochter des Josef König und kam so in den Genuss der Bäckereigerechtsamen. Gut 30 Jahre später baute er das Haus um. Der tunnelartige Eingang unter der Haustreppe führte zu seiner Konditorei, die von den Lindenbergern 'Galle Loh' getauft wurde.1889 erstand das Haus Josef Seleger, der dort vier Jahre lang eine Hutproduktion betrieb. Ab 1893 gehörte das Haus Josef Fehr, dem späteren Lindenberger Bürgermeister, der es 1897 an den Spengler und Eisenhändler Johann Patscheider verkaufte. Sein Sohn Peter baute das Haus 1937 so um, wie es heute ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Warensortiment um Porzellan erweitert. Nach dem Tod von Peter Patscheider, führte dessen Tochter Hildegard Roos das Geschäft weiter. Sie verkaufte es 1987 an Karl Otto Mayer, der es bis 1999 betrieb. Nachdem für einige Jahre Kinderartikel verkauft wurden, ist jetzt 'Schreibwaren am Stadtplatz' drin. Alte Fotos und Zeitungsausschnitte ergänzten den Vortrag. Für die Volkshochschule sei der Abend der zweite dieser Art, stellte Otto Procher sen. fest. Geplant ist, das sich der neue Arbeitskreis mindestens einmal im Halbjahr trifft, um sich in geselliger Runde mit heimatkundlichen Diskussionen zu befassen.