Marktoberdorf/Kaufbeuren(dec). - Seit 20 Jahren arbeitet Hannelore Dietzmann als Logopädin. Im Januar 1999 eröffnete die 52-Jährige mit ihrer Kollegin Silvia Schreier-Hortig eine eigene Praxis in Kaufbeuren. Im Herbst 2003 folgte eine weitere in Marktoberdorf. Unterstützt werden die beiden Logopädinnen derzeit von zwei Angestellten. Wie sind Sie zu ihrem Beruf gekommen? Dietzmann: Ich habe vorher als Mathelehrerin gearbeitet. Nachdem ich ein Kind mit Sprachproblemen adoptiert hatte, entschied ich mich für eine Umschulung. Die Ausbildung an einer Fachschule für Logopädie dauert günstigerweise drei Jahre. Voraussetzungen sind ein Abiturzeugnis oder eine abgeschlossene Berufsausbildung, am besten im pädagogischen oder sozialen Bereich. Meine Partnerin zum Beispiel arbeitete vorher als Erzieherin. Wie sieht Ihr Alltag in der Praxis aus? Dietzmann: Ich fange um 7.30 Uhr mit Büroarbeit an. Um 8 Uhr kommt der erste von durchschnittlich zehn bis elf Patienten pro Tag. Jede Sitzung dauert 45 Minuten. Gegen Abend bleibt die eigentliche Arbeit: Verläufe dokumentieren, Behandlungspläne erstellen, Telefonate mit Kindergärten, Ärzten, Schulen usw. führen oder unsere Elternabende vorbereiten. Wir behandeln Kinder zum Beispiel mit Schreib- und Leseschwäche oder Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte aber auch Erwachsene etwa Schlaganfall- und Krebspatienten. Therapien bei Kindern laufen immer über Spiel und Handlung. Wir kochen und backen zum Beispiel sehr viel mit ihnen.
Durch das anschließende Essen wird die Mundmotorik verbessert. In diesem Bereich arbeiten wir auch häufig mit Kaugummis. Weiter sind Rollenspiele für Kinder gut geeignet, da es für sie leichter ist, mit einer 'fremden' Stimme zu sprechen. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit, was ärgert Sie? Dietzmann: Es ist schön, mit Menschen Kontakt zu haben. Außerdem ist die Arbeit vielseitig und kreativ. Positiv ist auch, dass wir selbstständig sind und niemand uns Vorschriften macht. Was uns gar nicht gefällt ist die Gesundheitsreform. Die Prävention erhält dadurch einen immer schlechteren Stellenwert. Ärzte dürfen nicht mehr so schnell logopädische Therapien verschreiben. Meistens erst, wenn es hart auf hart kommt, beispielsweise bei Kindern im Grundschulalter. Das ist oft zu spät. Ist Ihre Arbeit leichter geworden? Dietzmann: Nein, eher schwieriger. Die Sprachprobleme bei den Patienten nehmen zu, vor allem bei den vielen fremdsprachigen Kindern. Aus technischer Sicht lässt sich natürlich auch im Bereich der Logopädie durch Computer einiges vereinfachen. Hat Ihr Beruf Zukunft? Dietzmann: Nein, selbst unser Verband rät ab, sich ausschließlich auf seine Praxis zu verlassen. Logopäden brauchen über kurz oder lang ein zweites Standbein. Viele Therapien werden gekürzt. Langzeitpatienten fallen ganz weg. Die Prognose ist schlecht, obwohl ausreichend Bedarf da wäre. In München gibt es bereits einen 'Verein für bedrohte Logopäden'.