Von Gerlinde Schubert, Marktoberdorf - Ein Kiosk ist traditionell ein kleiner Laden, der von früh morgens bis spät abends, ja auch außerhalb der 'normalen' Öffnungszeiten von Geschäften und an Wochenenden Zigaretten, Süßwaren, Zeitungen und Zeitschriften, aber auch sonstige so manch unverzichtbare Dinge des Lebens anbietet. Kioske finden sich in der Regel an belebten Plätzen. Und als Heinz Hoffmann 1969 das kleine Bahnhofslokal mit angeschlossenem Straßenverkauf von seiner Tante übernahm, muss man sich auch die Marktoberdorfer Bahnstation noch als Ort pulsierenden Lebens vorstellen. Etwa 30 Personen, so erzählt Hoffmann, hätten seinerzeit dort ihr Brot verdient und dazu sei dies ein reger Umschlagplatz für Güter und Personen gewesen. Nach gut 35 Jahren hat das Ehepaar Hoffmann bereits zum September seinen Kiosk geschlossen. Heinz Hoffmann hat mit 65 Jahren den wohlverdienten Ruhestand angetreten. Sein Geschäft hätte er gerne 'nahtlos' an einen Nachfolger übergeben, wie er sagt. Aber sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Abwarten wollte er mit seinem Rückblick, bis die Frage der Übergabe geklärt sein würde. Aber noch immer sei keine Zukunft, wie er sie sich vorgestellt hatte, für 'seinen Kiosk' in Sicht. Und so erzählt er jetzt doch schon vor einer Klärung von seiner Ära am Bahnhof, von der Treue seiner Kunden, von Freundschaften, die über den Tresen entstanden sind, von den guten Zeiten, als die Schulbusfahrer noch ihre Pausen bei ihm verbrachten und Schüler mittags noch ihre Brotzeit bei ihm kauften, sein Kiosk für Kunden noch fast konkurrenzlos Anlaufstelle zu später Stunde war. Er erinnert sich aber auch an Zeiten, in denen er sein Geschäft nur dank eines treuen Kundenstamms am Laufen halten konnte. Da war in der Bahnhofswirtschaft unter anderem der Stammtisch, der sich jetzt laut Hoffmann in alle Winde zerstreut hat. Da waren aber auch jene Genuss-Raucher, die bei ihm ausgefallene Tabakwaren fanden, die es noch nicht im Supermarkt gibt. Und er erzählt von einer nahezu explosionsartigen Vermehrung von Zeitschriftentiteln Ende der 70-er, Anfang der 80-er Jahre, die bei ihm erhältlich waren. Heinz Hoffmann ist gelernter Einzelhändler. Er war Bezirksvertreter für Tabakwaren, ein Metier, das er über drei Jahrzehnte auch an seinem Kiosk zu nutzen wusste. Als er ihn 1969 übernahm, erweiterte er erst einmal das Angebot. Es lief gut, sagt er rückblickend, und so investierte er mehr. 1978 erweiterte er seine Verkaufsfläche und schuf so Platz für ein erneut erweitertes Sortiment. Das einzige Tabakfachgeschäft hatte geschlossen, Hoffmann übernahm dessen Funktion, hatte auch für Sonderwünsche ein offenes Ohr. 'Wir hatten sehr treue Kunden, das haben wir gepflegt, und nur deshalb konnten wir noch überleben', erzählt er. Viele hätten sehr bedauert, dass es diesen Kiosk nicht mehr gibt. 'Wir hatten bis zu fünf Beschäftigten', erläutert Irene Hoffmann. Aber seit rund zehn Jahren sei das Geschäft rückläufig. Immer mehr Tankstellen übernahmen die Kiosk-Funktion, die Läden seien abends länger geöffnet, sonntags machten die Bäcker auf. Und auch als die Haltestelle im Schulzentrum eingerichtet worden war haben die Hoffmanns dies in ihrer Kasse gespürt: Die Schüler blieben aus. Die letzten eineinhalb Jahre waren die Hoffmanns allein hinter dem Tresen. Nicht missen wollen sie die vielen Begegnungen, auch wenn sie jeden Strukturwandel der Bahn zu spüren bekamen.
'Wirklich engagiert' Er, so Hoffmann weiter, habe sich wirklich sehr engagiert für einen Fortbestand des Kiosks. Sogar eine Vermittlerfirma habe er für eine Stange Geld eingeschaltet. Enttäuscht zeigt er sich von der Bahn. Sie habe zum einen Interessenten, die er vorgeschlagen habe, abgelehnt. Sie habe sich schon für jemand anderen entschieden, habe es geheißen. Aber dieser Interessent sei schon wieder abgesprungen. Jetzt sei niemand im Gespräch. An eine Übergabe glaubt Hoffmann jetzt nicht mehr. Wehmut überkommt Irene Hoffmann, denkt sie an den Kiosk zurück. 'Was mir weh tut', sagt Heinz Hoffmann etwas bitter, 'dass ich am Schluss von der Bahn Schwierigkeiten statt Dank bekommen habe'. 35 Jahre sei er ein guter Pächter gewesen, der auch mal für Ordnung in der Bahnhofshalle gesorgt habe. Am Ende habe es nicht einmal ein gutes Wort zum Abschied gegeben. Ein 'Trauerspiel für den Marktoberdorfer Bahnhof' nennt er dessen Entwicklung.