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Artikel: "Günther Beckstein ist weggemobbt worden"

4. Oktober 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
matthias becker

Interview Landtagsabgeordneter Eberhard Rotter hält es für richtig, dass die CSU über mehrere Bewerber für das Ministerpräsidentenamt diskutiert - Er traut Horst Seehofer zu, die Partei wieder zusammenzuführen

Von Ingrid Grohe |WeilerDie bayerische CSU gibt dieser Tage alles andere als ein einheitliches Bild ab. Während der schwäbische CSU-Bezirkschef und Europaabgeordnete Markus Ferber das Krisenmanagement seiner Partei öffentlich kritisiert, spricht Landtagsabgeordneter Eberhard Rotter im Interview vom notwendigen inneren Abstimmungsprozess. Wir erreichten Rotter nach turbulenten Tagen am Donnerstag daheim in Weiler, kurz bevor er sich mit seiner Familie für drei Tage nach Niederbayern zurückzog.

Herr Rotter, wie viel haben Sie seit vergangenem Sonntag geschlafen?

Eberhard Rotter: Noch weniger als während des Wahlkampfes.

Das bedeutet?

Rotter: Ich habe versucht, sechs Stunden täglich zu schlafen. Aber die waren natürlich sehr unruhig.

Den Mittwoch haben Sie in München bei der Sitzung der Schwaben-CSU und anschließend bei der Fraktionssitzung verbracht. Wie haben Sie die Stimmung dort erlebt?

Rotter: Die Meinung bei den Abgeordneten-Kollegen war geteilt. Insbesondere die Ober- und die Niederbayern haben den Amtsverzicht von Beckstein begrüßt, während ich persönlich und viele andere diesen Schritt sehr bedauern. Ich bin der Meinung, so springt man mit einem angesehenen Politiker und einem hochanständigen und liebenswerten Menschen nicht um.

Günther Beckstein ist weggemobbt worden.

Es wird behauptet, sein Rücktritt sei die späte Rache Stoibers. Stimmt das?

Rotter: Edmund Stoiber war an den Gesprächen in Oberbayern mit beteiligt. Ob er eine führende Rolle gespielt hat, weiß ich nicht. Aber er wird nicht nur stumm dabeigesessen sein. Manche Altbayern haben wohl auch nicht verwunden, dass kein Altbayer mehr Ministerpräsident ist. Wenn man nur daran denkt, dass da auf einmal die Dirndlfrage der Frau Beckstein zum Thema gemacht wurde!

Und jetzt haben wir es also mit drei Anwärtern für seine Nachfolge zu tun plus Horst Seehofer, der sich im Hintergrund bereit hält. Halten Sie das für eine glückliche Konstellation?

Rotter: Es wird jetzt überall von einem Machtkampf gesprochen. Das ist es aber nicht. Innerhalb einer demokratischen Partei, in der bis Mittwoch früh alle davon ausgegangen sind, dass Beckstein weitermacht, ist es ganz natürlich, dass sich mehrere Persönlichkeiten bewerben - nachdem es keinen geborenen Nachfolger gibt. Was hätte es denn für ein Bild abgegeben, wenn wir in einer Sitzung so lang diskutiert hätten, bis einer da ist? Es ist sicher besser, sich über mehrere Persönlichkeiten Gedanken zu machen.

Die CSU hat sich eine Woche Zeit gegeben, sich in einem - wie Fraktionsvorsitzender Georg Schmid sagt - guten demokratischen Prozess auf einen Nachfolger Becksteins zu einigen. Besteht nicht die Gefahr, dass die Flügel noch weiter auseinanderdriften, oder dass zumindest die Öffentlichkeit diesen Eindruck gewinnt?

Rotter: Wir brauchen doch diesen internen Abstimmungsprozess. Immerhin wollen wir unseren Mitgliedern die Chance geben mitzudiskutieren.

In welcher Form?

Rotter: Anfang nächster Woche sind Kreisvorstandssitzungen in Lindau und im Oberallgäu. Die Diskussionen werden in meine Meinungsbildung einfließen - so wie das sicher landesweit geschehen wird.

Sie haben also noch keine feste Meinung zum neuen bayerischen Ministerpräsidenten?

Rotter: Natürlich habe ich eine favorisierte Persönlichkeit und eine Wunschkonstellation im Hinterkopf. Und eine Konstellation, die auch noch in Ordnung wäre, und eine, die ich mir nicht wünsche. Aber das kann ich nicht so über die Presse bekanntgeben. Und außerdem werde ich andere Meinungen mit abwägen.

Sie selbst haben ja von den unterschiedlichen Positionen der Bezirksverbände gesprochen. Wie soll es denn gelingen, dass die Partei wieder zusammenfindet?

Rotter: (lacht) Fragen Sie mich etwas Leichteres. Nein, im Ernst: Der neue Parteivorsitzende Seehofer wird die Aufgabe haben, die Partei zusammenzuführen. Er ist der geeignete Mann. Insofern bin ich ganz zuversichtlich.

Eigentlich müsste sich die CSU doch derzeit intensiv mit den Ursachen für das Wahldebakel auseinandersetzen. Jetzt ist sie aber erst mal mit Personaldebatten beschäftigt. Hat die Partei ein Zeitproblem?

Rotter: Ja, ein gravierendes sogar. Und das ist unter anderem durch die bayerische Verfassung entstanden. Am 27. Oktober muss der Ministerpräsident gewählt werden. Bis dahin gilt es, einen Koalitionspartner zu finden, Verhandlungen mit ihm zu führen und einen Koalitionsvertrag zu schließen. Die FDP kommt wohl am ehesten in Frage. Aber auch mit ihr haben wir strittige Themen, zum Beispiel innere Sicherheit, Sozialpolitik, Landwirtschaftsförderung.

Herr Rotter, wie sehen Ihre nächsten Tage aus?

Rotter: Ich gönne meiner Familie und mir jetzt erst mal drei Tage Auszeit in Niederbayern. Während des Wahlkampfes habe ich keinen einzigen Tag mit meiner Familie frei gemacht. Aber mein Handy nehme ich natürlich mit.