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Artikel: Großer Bahnhof für 500 Tonnen Beton

3. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
ralf lienert

Neue Brücke Über 100 Schaulustige verfolgen nächtliche Arbeiten bei Betzigau

Von Stefanie Heckel |BetzigauEs ist gegen 22 Uhr, als die Parkplätze langsam knapp werden. Stoßstange an Stoßstange stehen die Autos da am Straßenrand - Hände reibend eilen noch einige Verspätete vorüber. Anziehungspunkt ist das kalte Irgendwo an der Straße kurz hinter Betzigau, gleißendes Flutlicht weist den Weg. Es sind gut 500 Tonnen Beton, die in dieser Nacht den Strom an Schaulustigen nicht abreißen lassen. Denn wie oft kann man schon beobachten, wie eine ausgewachsene Bahnbrücke Zentimeter für Zentimeter ihrem Bestimmungsort entgegen geschoben wird? 767000 Euro kostet das Bauwerk, das die Bahn an diesem Wochenende in Imat an die Stelle der alten, maroden Bahnbrücke setzt. Und während gut 30 Arbeiter dafür sorgen, dass der Koloss ohne Zwischenfälle die notwendigen 29 Meter zurücklegt, herrscht bei den Schauslustigen Volksfeststimmung. Am Bauernhof nebenan wird längst Bier ausgegeben, in kleinen Wolken steigt die Atemluft der fröhlich plaudernden Besucher in den Nachthimmel.

"Zwei Monate hat es gedauert, bis wir die Brücke so zusammengesetzt und auf das Verschubfundament gesetzt hatten", erzählt derweil Bauleiter Thomas Haußer. Sein Finger zeigt hinüber zur Brücke, die auf dicken Betonklötzen ruht. Bis Freitag noch rollte der Zugverkehr über das alte Bauwerk - der Umstieg auf die neue Brücke soll bis Montagmorgen erledigt sein. Immer 50 zentimeterweise geht es voran - um 500 Tonnen zu bewegen, bedarf es einer speziellen Konstruktion: Insgesamt acht sogenannte Schlitten drücken die Brücke nach oben - das Ganze erinnert an überdimensionierte Wagenheber beim Reifenwechsel. Vier Zentimeter Höhe, so erläutert Bauleiter Haußer, reichen aus, damit eine solche Brücke geschoben werden kann.

Gut zehn Meter in 50 Minuten

Der Schub kommt von einem Kolben hinter der Brücke. Der drückt - in diesem Augenblick mit genau 20 Tonnen - gegen die Brücke, sodass diese auf ihrem Fundamt ein Stückchen weiter rutscht. Um die Reibung zu verringern, gleiten die Schlitten auf Teflonplatten voran, die die Arbeiter zwischen Betonfundament und Brücke legen. Ein wenig sieht es aus wie ein Schiff beim Stapellauf über Baumstämme. "Zehn Meter und 40", liest Bauleiter Haußer auf einem mitlaufenden Maßband ab und nickt zufrieden. Über zehn Meter in "nur" 50 Minuten - das ist bei einem 500-Tonnen-Koloss eine geradezu rasante Fahrt. Eigentlich, so erklärt der Fachmann, werden pro Stunde nur fünf bis sechs Meter Vorwärtsbewegung veranschlagt. Hoffentlich, meint Haußer dann, läuft die Sache weiterhin so problemlos.

Immerhin sollen am Sonntag die provisorischen Fundamente raus und die richtigen hinein, bevor dann die Gleisbauer dran sind. Sie sollen bis Montag, 4 Uhr, auf der Strecke klar Schiff machen, damit danach wieder die Züge rollen können.

Den größten Teil der Kosten für die neue Brücke übernimmt die Deutsche Bahn. Weitere Gelder kommen über verschiedene Fördertöpfe herein und die Gemeinde zahlt weitere 40000 Euro. Das Samstagabend-Schauspiel für die Betzigauer Bürger gab es da kostenlos dazu.