Artikel: Griff in fremden Geldbeutel

17. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

18-Jähriger wegen Raubes verurteilt - Nochmal Bewährung

Kaufbeuren (bbm). - Er war erst im April dieses Jahres wegen räuberischer Erpressung verurteilt worden und stand seither unter offener Bewährung. Vier Monate später schlug ein heute 18-Jähriger nachts in der Kaufbeurer Innenstadt einem Betrunkenen (58) den Geldbeutel aus der Hand und flüchtete mit der Beute. Dass der Angeklagte nun trotz der belastenden Vorgeschichte vom Kaufbeurer Jugendschöffengericht noch eine allerletzte Bewährungschance erhielt, lag vor allem daran, dass sich zwischenzeitlich beruflich wie privat eine positive Entwicklung abzeichnet. Der 18-Jährige wurde unter Einbeziehung des Urteils vom April wegen Raubes zu einer Jugend-Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Er muss außerdem 1200 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung und 100 Euro als Wiedergutmachung an den Geschädigten bezahlen. Mit härteren Konsequenzen sah sich ein 19-Jähriger Komplize des Angeklagten konfrontiert: Er wurde wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu 15 Monaten Haft verurteilt. Sein Tatbeitrag war zwar gering - er stand nur daneben -, die Vorgeschichte war dafür umso belastender. Dieser junge Mann hat nämlich bereits neun Vorstrafen und muss noch eine einjährige Haftstrafe antreten. Diese war wegen einer Drogen-Therapie ausgesetzt worden. Nachdem er kurz vor Abschluss der Behandlung wegen eines Streits aus der Einrichtung entlassen wurde, ist die Strafe nun wieder aktuell. Der Haupttäter erklärte nun vor Gericht, ihm sei durchaus bewusst gewesen, dass er unter offener Bewährung stehe. Warum er dann trotzdem an den Geldbeutel des Opfers wollte, konnte er nicht erklären. Es sei 'halt passiert.' Der 18-Jährige war dem alkoholisierten Rentner, den er flüchtig kannte, aus einem Lokal auf die Straße gefolgt und hatte ihn angesprochen. Sein 19-jähriger Freund stand ein paar Meter daneben. Eigentlich habe er nur reden wollen, beteuerte der Angeklagte. Als er jedoch gesehen habe, dass der Geldbeutel des Mannes schon beinahe aus der Hosentasche rutschte, habe er versucht die Börse an sich zu nehmen. Dabei fiel der Geldbeutel zu Boden, das Kleingeld purzelte heraus. Der Angeklagte sammelte die Münzen gemeinsam mit dem Opfer wieder ein. Wie er dann an die Börse kam, dazu lieferte er widersprüchliche Angaben. Bei der Polizei hatte er behauptet, der Geldbeutel sei erneut zu Boden gefallen, woraufhin er zugegriffen habe. In der Verhandlung schilderte er zunächst einen Schlag gegen die Hand des Geschädigten, zog sich dann aber wieder auf seine polizeiliche Aussage zurück. Das Gericht hatte im Urteil keinen Zweifel an dem Schlag, der auch vom Opfer geschildert worden war. Nach dem Vorfall flüchteten die beiden jungen Männer. Kurz darauf wurden sie von einer Anwohnerin beobachtet, wie sie die Börse untersuchten.

Dumm oder unverschämt? Dass sich der 18-Jährige nach dem Vorfall weigerte, auf ein Angebot des Geschädigten einzugehen - der Rentner hätte wohl gegen eine Entschuldigung und Rückerstattung seines Geldes die Anzeige zurückgezogen - war für das Gericht kaum nachvollziehbar. Wörtlich sagte der Vorsitzende: 'Ich weiß nicht, ist das Dummheit oder Unverschämtheit?'