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Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz

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Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz

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    Von Klaus-Peter Mayr |Buchenberg/Lindenberg/Berlin"Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust", ließ einst Goethe seinen Faust sagen. Herbert Wiedemann könnte diesen Satz abwandeln in: Mehrere Seelen wohnen in meiner Brust. In seinen jungen Jahren konnte er sich nicht so recht zwischen den zwei Leidenschaften Musik und Sport entscheiden - und machte beides zum Beruf. Und in den späteren Jahren hat er, der einst in der klassischen Musik ausgebildet wurde, Spaß gefunden am Improvisieren und am Jazz.

    Sport ist inzwischen für den 64-Jährigen wieder Nebensache. Wenn er gerade mal Zeit hat, mischt er in einer Tennis-Mannschaft des TSV Buchenberg mit und jagt den Gegnern die Bälle um die Ohren. Aber die meiste Zeit kümmert er sich um Studenten. Wiedemann ist Professor an der Universität der Künste in Berlin und bringt angehenden Lehrern das Improvisieren auf dem Klavier bei. Eigentlich könnte er im Sommer 2009 in Pension gehen. Aber gerade hat er ein Jahr drangehängt, weil ihm das Unterrichten so viel Spaß macht.

    Und so wird Wiedemann ein Jahr länger zwischen seinem Wohnort Buchenberg (Oberallgäu) und der 700 Kilometer entfernten Hauptstadt pendeln.

    Wird nur alle zwei Wochen nach Hause kommen, ein Wochenende mit seiner Frau, die in Kempten Lehrerin ist, verbringen, am Sonntagabend unter anderem seine Tennistasche und einen Kasten heimischen Bieres in den Kofferraum laden und wieder gen Norden fahren.

    Seit Jahren lebt der groß gewachsene Mann mit der grauen Lockenpracht ein Pendlerleben. "Im Allgäu Natur, im Berlin Kultur", sagt er und fügt an: "Man gewöhnt sich daran." Ein bisschen etwas nomadenhaftes hängt ihm seit der Kindheit an. In Lindenberg (Westallgäu) wurde er 1944 geboren. Zur Schule ging er in Donauwörth und Marktoberdorf, wo er am musischen Gymnasium das Abitur machte. In München studierte er Musik, wurde Lehrer in Kempten.

    Weil er das bald als zu einseitig empfand, ging er wieder auf die Uni und studierte Sport. Von 1978 bis 1981 unterrichtete er an der Fachoberschule Kempten Pädagogik, Psychologie, Sport und Musik. Nebenbei leitete er Chöre und Orchester. Dann ging er an die Universität Oldenburg, als künstlerischer Mitarbeiter für Klavier, promovierte zum "Dr. phil.". 1988 schließlich der Sprung nach Berlin, wo er die Klavier-Professur übernahm. Sein Wissen hat er inzwischen in zahlreichen Büchern und Lehrwerken unter die Leute gebracht.

    Nicht nur wegen des Hauses in Buchenberg mit dem wundervollen Blick in die Alpen kam er immer wieder ins Allgäu. Auch wegen der Musik. Etliche Konzerte gibt er hier jedes Jahr, meistens in Kempten oder in seiner Heimatstadt Lindenberg.

    Mal bringt er Klassisches mit, mal Jazz, oder auch beides. "Ich will keine ausgetretenen Wege gehen", sagt Wiedemann. Und: "Ich mag die Kommunikation mit anderen Musikern und deren Musiksprache."

    Immer mit einem Augenzwinkern

    Souverän und locker zugleich sitzt er da, wiegt seinen langen Oberkörper über den Tasten. Doch spielen reicht dem Pädagogen in der Regel nicht. Fast immer greift er zum Mikrofon, um seinem Publikum das Gehörte zu erklären. Dabei wirkt er meist wie ein Tennisspieler, der gerade ein Turnier gewonnen hat. Lässig lehnt er am Flügel, spricht frei, flicht etwas zum Lächeln ein. So todernst wie viele andere Klassik-Musiker scheint er seine Sache nicht zu nehmen. Immer ist ein Augenzwinkern dabei, immer auch ein wenig Distanz.

    Lindenberg hat ihm vor wenigen Tagen den mit 1500 Euro dotierten Kulturpreis verliehen. Bei der Ehrung zeigte Wiedemann einmal mehr, dass verschiedene Seelen in seiner Brust wohnen: Zum Dank spielte er auf dem Flügel zuerst einen Jazz-Hit von Chick Corea und hängte daran ein Stücklein des Klassikers Frédéric Chopin.

    Herbert Wiedemann gibt am Samstag, 15. November, im Löwensaal-Foyer in Lindenberg zusammen mit Philippe Loli ein Konzert unter dem Motto "Guitar & Piano Treff". Zu hören sind Werke aus Klassik, Pop und Jazz. Beginn: 20 Uhr.

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