Pferde als Pensionsgäste auf dem Steinbach-Hof in Irsengund Oberreute (rau). Graue Haare, krummer Rücken, Kurzatmigkeit - was Menschen plagt, wenn sie älter werden, davon bleiben auch Pferde nicht verschont. Und dennoch wirken die 7 älteren Herrschaften auf der Weide bei Oberreute recht vergnügt. Sie haben das Glück, unbeschwert ihren Lebensabend auf dem Hof von Bernhard Schmid genießen zu dürfen.
Schmid mag das Wort Gnadenhof nicht so gerne. Es klingt nach in letzter Minute vor dem Schlachthof geretteten Tieren, deren Lebensunterhalt mit mühsam gesammelten Spenden bestritten werden muss. Auf seinem Hof sind die Pferde Pensionsgäste, für deren Unterhalt ihre Besitzer aus Liebe und Dankbarkeit aufkommen. Auf die Idee zu diesem Angebot hat ihn vor Jahren Gunter Steinbach gebracht. Der im letzten Jahr verstorbene Autor von Naturführern, als dessen Verwalter Schmid vor 11 Jahren nach Irsengund gekommen ist, hatte selbst zwei alte Pferde. Die Traberstute Minka ist heuer 30 geworden, das polnische Pony musste mit 38 Jahren eingeschläfert werden. Wenn ein Pferd nicht mehr geritten werden kann, muß sein Besitzer oft eine schwere Entscheidung treffen. Pferde kosten Geld und für ein 'nutzloses' Tier aufzukommen, kann und will sich nicht jeder leisten. 'Wir müssen die Verantwortung für unser Tier wahrnehmen', sagt Schmid und respektiert es, wenn einer sein Pferd einschläfern lässt. Das sei sicher die bessere Lösung, als das Tier in ein ungewisses Schicksal hinein zu verkaufen. Parwa, mit 31 Jahren die älteste in der Herde, hat sogar 3 Besitzerinnen, die ihr das Gnadenbrot gönnen. Sie hatten die Stute einst gemeinsam gekauft und, als sie nicht mehr geritten werden konnte, 1995 auf Schmids Hof untergebracht. Mit ihr und Minka tummeln sich die beiden 30-jährigen Marina und Sven. Marina merke man heute noch an, dass sie oft auf Schauen gezeigt wurde, erzählt Schmid. Von den drei jüngeren Wallachen auf der Weide ist Bubi mit 19 der jüngste und eifrig darauf bedacht, Anschluß zu finden. Unter Pferden bilden sich häufig enge Zweierfreundschaften, ein Dritter wird da gerne mal weggebissen, auch bei den 'Alten'. Allerdings hat Schmid schon mehrmals beobachtet, dass selbst langjährige Freundschaften auseinandergingen, wenn ein Neuer hinzu kam. Schmid hat Steinbachs Hof seit 1995 gepachtet. Leben könnte er von den Pensionsgästen nicht, er arbeitet zusätzlich für die Gemeinde bei der kommunalen Landschaftspflege. Zum Reiten kommt er nicht, denn den wunderschön abseits am Hang gelegenen Hof zu bewirtschaften ist zeitaufwändig und das Versorgen der Pferde sowieso arbeitsintensiv. Morgens werden sie geputzt, dabei lässt sich nebenbei der Gesundheitszustand überprüfen. Das Heu wird mit einer speziellen 'Heurüst-Maschine' entstaubt, die dabei anfallenden Heublumen sind willkommenes Fressen für die Tiere mit schlechtem Gebiss. Weil alte Pferde sehr lange zum Fressen brauchen, muß den ganzen Tag Futter in der Raufe sein. Jedes hat eine eigene große Box mit halbhohen Wänden, denn Sozialkontakt ist den Herdentieren sehr wichtig. Da aber auch bei Senioren eine Rangordnung herrscht, garantiert die Boxenhaltung den rangniedrigeren Tieren Ruhe. 'In den letzten 12 Monaten gab es keinen Tag ohne Weidegang', freut sich Schmid. Das heißt aber nicht, dass er morgens bloß die Stalltür aufmacht. Je nach Wetter dürfen die Rentner oft nur ein- bis zweimal am Tag eine Stunde an die Luft. Damit es im Winterhalbjahr nicht langweilig wird, wurden zusätzlich Rundläufe angelegt. Das regt zum Gehen an. Nicht unnötig leiden'Man merkt es, wenn es mit einem Pferdeleben zu Ende geht', sagt Schmid. Er informiert dann sofort die Besitzer. Die haben die Empfehlung zum Einschläfern bisher auch in jedem Fall akzeptiert. Unnötig leiden sollen die vierbeinigen Freunde nicht.