Den Reisigbesen und den Zylinder braucht Wolfgang Linder nur noch selten. Erkannt wird er aber auch ohne die althergebrachten Attribute. Linder ist Kaminkehrer, genauer: Bezirkskaminkehrermeister, Herr über die Schornsteine von rund 2000 Anwesen in . Ein erfahrener Handwerker für alle Kunden, ein Glücksbringer für manche.
Morgens, kurz nach neun: Der rote, schmale Transporter von Wolfgang Linder aus Stöttwang rollt eine steile Einfahrt in Neugablonz hoch. Rund zwei Stunden ist der Arbeitstag des Schornsteinfegers schon alt. Sein Aufzug ist traditionell: schwarze Schuhe, ein schwarzer, robuster Anzug mit Messingknöpfen, eine Mütze bedeckt das gräuliche Haar des 48-Jährigen. Zum Kaminkehren kommt der freundliche Mann nicht hierher. Überhaupt ist das Kaminkehren längst nicht mehr das tägliche Brot des Kaminkehrers, schon gar nicht um diese Jahreszeit.
Defekte Ölheizung
Stattdessen kommt Linder, um die Ölheizung im Keller zu inspizieren. Vor sechs Wochen war er schon einmal hier - der Brenner. Die Düse war kaputt. Linder nimmt ein Gerät, eine überdimensionierte Luftpumpe, und saugt etwas Abgas ab. Beim Ansaugen passiert es ein rundes Stück Filterpapier und hinterlässt dabei einen Fleck - je schwärzer, desto schmutziger. Die Vergleichstabelle verrät: Rußzahl neun - "hundsmiserabel". Wieder zurück im Erdgeschoss mahnt der Schornsteinfeger den Mieter. "Da muss schnellstens was gemacht werden", sagt er streng. "Sonst macht der Kessel zu, dann geht gar nichts mehr." Der Adressat der Warnung ist einsichtig, verständigt gleich den Heizungsbauer. In ein paar Wochen wird Linder wiederkommen.
Messungen wie diese sind Alltag für jeden Kaminkehrer. Emissionsschutz ist heute eine der Hauptaufgaben von Linder & Co. Vorbei die Zeiten, als man noch in Schornsteine kletterte und Zentimeter tief im Ruß watete. Früher im Mittelalter, erzählt Linder gerne, hätten die Schornsteinfeger - ein damals noch junger Beruf - die Menschen vor Kaminbränden bewahrt, die vielen das Leben kosteten. Das brachte ihnen den Ruf des Glücksbringers ein, der ihnen bis heute erhalten geblieben ist. Wenn Wolfgang Linder in vollem Ornat, mit Anzug und Kehrwerkzeug durch die Straßen geht, wollen ihn viele berühren.

Das Wetter im Allgäu
Sonnig warme Tage weichen Regen und herbstlichen Temperaturen
Im Dezember ist die Kehrsaison vorbei. Stattdessen nimmt Linder andere Verpflichtungen wahr. Wie bei seinem nächsten Termin. Ein Hausbesitzer hat sich vor kurzem vom Kaminkehrer eine Energieberatung geben lassen. Nun steht Linder im Keller des Rentners und besieht das Ergebnis: Die ganze Decke ist mit acht Zentimeter dicken Styroporplatten abgehängt, die die Wärme im Erdgeschoss halten sollen. "Die warme Luft geht immer zur kälteren", erklärt der zufriedene Experte. Energieberatung wird ein immer wichtigerer Teil seines Geschäfts. 2013 fällt das Monopol für einige Aufgaben des Kaminkehrers, schon jetzt müssen moderne Gasheizungen nur noch alle vier Jahre inspiziert werden. Da heißt es neue Bereiche erschließen.
Kniehoher Kaminofen
Die nächste Station ist die Wohnung eines jungen Ehepaars. Es hat sich kürzlich einen gut kniehohen Kaminofen angeschafft, der jetzt vom Kaminkehrer freigegeben werden muss - Vorschrift. Wolfgang Linder misst die größe der untergelegten Platte ("Das passt") und begutachtet das Kaminrohr. Nur noch kurz ein Blick hinter die Kamintüren, oben am Dachboden. Alles scheint in Ordnung.
Es war der letzte Außeneinsatz für diesen Tag. Wolfgang Linder fährt nach Hause. Schreibkram erledigen, lästige Pflicht, besonders am Jahresende. Vielleicht hat er an diesem Tag wenigstens ein paar Menschen Glück gebracht. Bei ihm selbst scheint es nicht zu wirken. "Jedenfalls habe ich bisher nicht im Lotto gewonnen."