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"Gift für die Integration"

Kaufbeuren

"Gift für die Integration"

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    "Gift für die Integration"
    "Gift für die Integration" Foto: mathias wild

    Nicht nur Ebru Özkarabacak empfindet den Vorschlag als "Gift für die Integration". Die Forderung von Recep Tayyip Erdogan nach türkischen Gymnasien in Deutschland stößt sowohl bei deutschen Politikern, als auch unter den Türken hierzulande weitgehend auf Kritik. Bereits 2008 hatte der türkische Ministerpräsident dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht und damit heftige Diskussionen heraufbeschworen. Anlässlich des Türkei-Besuchs von Kanzlerin Angela Merkel hat Erdogan kürzlich nun seinen Wunsch nach Schulen in Deutschland, die ausschließlich auf Türkisch unterrichten, erneuert.

    Auch türkischstämmige Bürger Kaufbeurens lehnen das Ansinnen nach wie vor ab. "Ich würde meine Kinder nicht auf eine türkische Schule schicken", betont Özkarabacak. Die Besitzerin eines Modegeschäfts in Kaufbeuren hat eine Tochter, die auf das Gymnasium geht und einen Sohn, der Grundschüler ist. "Die türkischen Kinder, die hier geboren werden, haben doch die besten Möglichkeiten, an den Schulen Deutsch zu lernen. Die sollte man nutzen", meint die 33-Jährige, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt. Schließlich hätten viele junge Türken ohnehin Probleme mit der deutschen Sprache, die durch rein türkische Schulen nur verstärkt würden. Türkisch zu fördern und Deutsch im Gegenzug zu vernachlässigen, könne man sich im Sinne der Integration keineswegs leisten.

    "Das Problem ist außerdem, dass sich viele Türken und Migranten in Deutschland eh schon abkapseln, da wären solche Schulen nur kontraproduktiv", erklärt Sedat Karaaslan. Wenn man in Großstädten, wo es bereits überwiegend türkische Viertel gebe, auch noch türkische Gymnasien aufbauen würde, fördere das lediglich die Isolation der türkischstämmigen Bevölkerung. "Die sozialen Beziehungen zwischen Türken und Deutschen sind wichtig und das beginnt nun einmal schon in der Schule", sagt der 19-jährige Gymnasiast aus Kaufbeuren.

    Das Argument Erdogans, dass viele in Deutschland geborene Türken Schwierigkeiten mit der Sprache ihrer Eltern hätten und die türkischen Schulen hier Abhilfe schaffen würden, lässt Karaaslan noch am ehesten gelten.

    "Sicher tun sich da einige schwer, wenn die Praxis fehlt und man nicht ständig Türkisch spricht, aber das ist kein Grund, jetzt etwas mit der Brechstange bewegen zu wollen", sagt der junge Mann, der neben Türkisch und Deutsch auch Arabisch spricht. Türkisch habe er zu Hause und in der Grundschule, wo wöchentlich zwei Stunden Sprach-, Kultur- und Geschichtsunterricht für türkische Schüler auf dem Lehrplan standen, gelernt. Dieses Angebot sollte man für türkische Schüler auch auf weiterführende Schulen ausdehnen.

    "Türkisch als Wahlfach an deutschen Gymnasien, auch für deutsche Schüler als Fremdsprache, fände ich durchaus sinnvoll", sagt auch Ahmet Dikkaya.

    Die Forderung nach rein türkischen Eliteschulen bezeichnet der Versicherungsfachmann aus Kaufbeuren jedoch als Populismus Erdogans, der damit lediglich auf Wählerfang gehen wolle. "Ich kann nicht verlangen, in die EU aufgenommen zu werden und dann in Deutschland auf türkische Gymnasien bestehen", so der 55-jährige Familienvater. Priorität habe letztlich in diesem Land die deutsche Sprache, das sei ein wichtiger Bestandteil von erfolgreicher Integration. "Talentierte türkische Schüler, die etwas im Kopf haben, können genauso gut an deutsche Gymnasien gehen und dort bestehen", meint Sedat Karaaslan. In einigen Wochen schreibt er übrigens sein Abitur.

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