Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Gewissheit nach sechs Jahrzehnten

Allgäu

Gewissheit nach sechs Jahrzehnten

    • |
    • |

    Von Johann Stoll|MindelheimWeihnachten 1944. Der 38-jährige Unteroffizier Peter M. (Name auf Wunsch von Angehörigen geändert) ist einige Tage auf Heimaturlaub in Mindelheim. Seine Frau und die siebenjährige Tochter sind überglücklich, dass sie ihn in ihre Arme schließen können. Da kommt der Befehl: zurück an die Ostfront. Frau und Tochter begleiten Peter M. zum Bahnhof. Tränen fließen, eine letzte Umarmung, ein kurzes Winken. Es ist ein trauriger, bitterer Abschied.

    Peter M. sollte wie so viele seiner Generation nicht wieder kommen. Kein Lebenszeichen erreicht mehr Mindelheim, lange bleibt die Familie im Ungewissen. Auch das Kriegsende am 8. Mai 1945 bringt keine Gewissheit. Peter M. ist in der Sowjetunion verschollen.

    1947 dann erreicht ein Brief das katholische Pfarramt in Mindelheim. Absender des Schreibens ist ein ehemaliger evangelischer Feldgeistlicher, der aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Nürnberg heimgekehrt ist. Dieser schreibt, dass Peter M. am 25. Februar 1946 im Kriegsgefangenenlager Brjansk an der Ruhr gestorben sei. Am Rande eines Birkenwäldchens sei er begraben worden.

    Mehr konnte die Witwe nicht in Erfahrung bringen, auch später nicht. Im vergangenen Jahr, im Alter von mehr als 90 Jahren, hat die Frau ihre Geschichte beiläufig einem Bekannten erzählt - Hans Schalper. Die Geschichte hat ihm keine Ruhe gelassen und er hat sich auf Spurensuche gemacht. Im November 2006 bat er den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Kassel nachzuforschen, wo der Tote geblieben sein könnte. Die Antwort war ernüchternd: 'Nach Prüfung unserer Unterlagen müssen wir feststellen, dass hier leider kein Grab und keine Todesmeldung über den in Kriegsgefangenschaft verstorbenen Peter M. vorliegen.'

    Nächste Station der Hoffnung: Der Suchdienst des Roten Kreuzes in München. Nach Wochen die Antwort - im Kuvert eine faustdicke Überraschung: Die Kopie eines in russischer Sprache abgefassten Vernehmungsprotokolls des sowjetischen Geheimdienstes NKWD. Der Suchdienst hatte aus Archivbeständen der Russischen Föderation die Akten deutscher Kriegsgefangener erhalten, die in der früheren Sowjetunion ihr Leben gelassen hatten.

    Holzkreuz angebracht

    In dem Protokoll ist Peter M. akribisch nach Verwandten gefragt worden und auch, ob er freiwillig in den Krieg gezogen sei. Gefangengenommen wurde er am 8. Mai 1945 in Saldus, Lettland. Vermerkt ist in der Akte auch, wo der Friedhof für die Kriegsgefangenen seiner Lagerabteilung war und in welchem Grab er bestattet wurde. Ein Holzkreuz sei angebracht worden. Die letzte Gewissheit kam von der Kriegsgräberfürsorge: 'Nach unseren Unterlagen befand sich die Lagerabteilung 326/4 in Djatkowo, nördlich von Brjansk'.

    Als die hoch betagte Frau von dem Ergebnis erfuhr, reagierte sie sehr erleichtert. Unter Tränen sagte sie, jetzt wisse sie endlich, wo ihr Mann abgeblieben ist.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden