Kempten(bec). - Es sind schwere Vorwürfe, die ein Vater gegen die Freie Waldorfschule in Kempten erhebt: Von mindestens sechs Lehrern spricht er, die die Kinder schlagen und demütigen würden. Außerdem müssten die Schüler auf dem Schulgelände in Albris schwere körperliche Arbeit verrichten, bei einer Klassenfahrt nach Ungarn hätten Achtklässler gar sechs Stunden am Tag schuften müssen. Die Waldorfschule selbst räumt zwar ein, dass ein Schüler von einem Lehrer eine Ohrfeige bekommen habe, verwahrt sich aber sonst gegen sämtliche Vorwürfe. Zum Ende des Schuljahres musste die Schule bei der Regierung von Schwaben eine Stellungnahme zu den Vorwürfen einreichen. Das Ergebnis: Ministerialbeauftragter Hubert Lepperdinger wird sich die Situation im September vor Ort ansehen und mit Eltern, Lehrern und Schülern sprechen. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Schule, denn der Vater hat Anzeige erstattet. Eine ganze Liste von Anschuldigungen gegen die Waldorfschule hat Mario Zeh, dessen drei Kinder dort bis zum Ende des vergangenen Schuljahres unterrichtet wurden, erstellt. So sei ein Schüler auf einer Klassenfahrt zu einer befreundeten Waldorfschule geohrfeigt worden. Und sein eigener Sohn, so Zeh, sei von einem Lehrer derart im Gesicht gepackt worden, dass er Hämatome an den Wangen gehabt habe. Die Mutter einer Viertklässlerin berichtet, dass die Kinder von einem Lehrer am Kopf von ihren Stühlen gerissen würden. 'Da geht es zu wie in einer Sekte', sagt Zeh. Die Kinder würden psychisch so unter Druck gesetzt, dass sie sich nicht trauten, ihren Eltern von den Vorgängen zu berichten. 'Diese Vorwürfe sind haarsträubend', betont Roland Birk, Vorstandsmitglied an der Waldorfschule. Zwar stimme es, dass ein Lehrer einem Schüler auf der Klassenfahrt eine Ohrfeige versetzt habe, weil der Achtklässler ihn mit Farbe bekleckert habe. 'Das war nicht ordnungsgemäß, aber verständlich', so Birk. Alle anderen Anschuldigungen dagegen seien vollkommen haltlos. Ein Beispiel: 'Herr Zehs Sohn wurde nicht einfach so von dem Lehrer gepackt. Er fuchtelte mit einem Spaten auf dem Schulgelände herum. Der Lehrer fasste ihn an den Wangen, um ihn wieder zur Besinnung zu bringen', schildert Birk.
'Maßlos übertrieben' Laut Mario Zeh gibt es mittlerweile rund 50 Eltern, die gegen die Schule Anschuldigungen erheben. Bestätigen lässt sich das nicht. So erklärt eine von Zeh genannte Mutter aus Obergünzburg: 'Gerüchte habe ich zwar gehört, aber meine Kinder haben nichts derartiges erzählt. Sie gehen gerne in die Schule.' Die Mutter befürchtet, dass mit den Anschuldigungen 'maßlos übertrieben' werde. Ein - ebenfalls von Zeh genannter, angeblich betroffener - Vater wollte sich gegenüber der AZ nicht äußern. Er meldete sich aber bei der Schule und erklärte, etwaige Unstimmigkeiten mit der Schulleitung selbst klären zu wollen. Zu den Vorfällen Stellung nehmen musste die Schule jetzt auch beim Kultusministerium und der Regierung von Schwaben. Geklärt ist laut Angela Mutter, Mitarbeiterin des Ministerialbeauftragten Lepperdinger, aber noch nichts: 'Eine Ohrfeige von einem Lehrer ist natürlich aus pädagogischer Sicht nie verständlich.' Darüber und über die anderen Anschuldigungen werde der Ministerialbeauftragte zu Beginn des nächsten Schuljahres mit der Schule, Eltern und Kindern sprechen. In den Ermittlungen stecke mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft Kempten, so Renate Thanner, Stellvertreterin des leitenden Oberstaatsanwalts Herbert Pollert: 'Der Vater hat wegen des Vorfalls mit seinem Sohn Anzeige erstattet.' Nun liege die Akte bei der Polizei, die die Familie erst verhören müsse.'