Zwei Wintersportler sind gestern Nachmittag am Hochgrat in Steibis (Oberstaufen) von einer gewaltigen Lawine verschüttet worden. Während einer der beiden Männer aus Memmingen gleich zu Beginn der Suche von den Rettungskräften gefunden und in Sicherheit gebracht werden konnte, musste die Suche nach dem zweiten Verunglückten bei Einbruch der Dämmerung erfolglos abgebrochen werden.
Der Snowboarder und der Skifahrer am Hochgrat waren abseits der Piste unterwegs. Hier sind seit Gründung des Lawinenwarndiensts in Bayern im Jahr 1967 mehr als 100 Lawinentote zu beklagen. Anders die Lage im Gebiet, das von Lawinenkommissionen überwacht wird. Dort kam es seit mehr als 40 Jahren zu keinem Unglück mehr mit tödlichem Ausgang. Wie das System funktioniert, erklärt Xaver Hartmann (50), Obmann der Lawinenkommission Oberstdorf. Mit mehr als 100 Lawinenstrichen hat die Kommission hier eines der kritischsten Gebiete einzuschätzen.
Wer entscheidet eigentlich, ob Täler wegen Lawinengefahr gesperrt werden?
Xaver Hartmann: Jede Gemeinde, in deren Gebiet Menschen oder Objekte Lawinen ausgesetzt sein könnten, muss als Sicherheitsbehörde eine Lawinenkommission einrichten. Diese schätzt die Situation ein und gibt Empfehlungen an die Gemeinde oder den Landkreis ab. Ob gesperrt und gesprengt wird, muss die Gemeinde entscheiden. Auch über die Skigebiete geben wir Empfehlungen ab. Hier haften auch die Bergbahnen.
Wer gehört zur Lawinenkommission?
Hartmann: Sie ist ein Gremium aus ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sich in der Regel mit dem Thema Lawinen auskennen und im Freien zu tun haben. Bei uns in Oberstdorf sind das etwa Bergwachtler, Polizei und Mitarbeiter von Bergbahnen, Räumdienst und Rettungsdiensten.
Wie arbeitet die Kommission?
Hartmann: Zunächst müssen wir verschiedene Werte zusammentragen - vor allem Schneehöhe, Schneebeschaffenheit, Windrichtung und -geschwindigkeit sowie die Temperatur. Bayernweit haben wir dazu 14 Messstationen, die Ergebnisse können wir übers Internet abrufen. Ebenso wichtig ist aber, dass sich unsere Ehrenamtlichen die Situation vor Ort anschauen. Oft sind dann sehr schnelle, kurzfristige Entscheidungen über Funk nötig.
Sie untersuchen alle 14 Tage Schneemessfelder. Warum?
Hartmann: Dabei geht es darum, ein Schneeprofil zu erstellen. Der Schnee wird bis zum Boden abgegraben und untersucht, dadurch sieht man exakt die Veränderungen der vergangenen 14 Tage. Um die Lawinengefahr einzuschätzen, ist zum Beispiel wichtig, wie gut der Neuschnee mit dem Altschnee verbunden ist.
Wie laufen im Ernstfall Lawinensprengungen ab?
Hartmann: Die Bergbahnen haben teils eigene Sprengberechtigte. Die Nebelhornbahn etwa sprengt aus Sicherheitsgründen pauschal ab 15 bis 20 Zentimeter Neuschnee. Die Gemeinden beauftragen gewerbliche Sprengmeister. Bei uns in Oberstdorf wird aufgrund des schwierigen Geländes vom Hubschrauber aus gesprengt. Dabei fliegt auch ein Einweiser der Lawinenkommission mit, um zu sagen, wo genau gesprengt werden sollte und um sofort abzuschätzen, wie erfolgreich die Sprengung war.