Kaufbeuren - Ruhig und konzentriert verfolgt Dr. Michael von Cranach die Proben zu 'Einer flog über das Kuckucksnest'. Das neue Stück der Kulturwerkstatt Kaufbeuren feiert am kommenden Freitag Premiere, der ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren hat die Jugendlichen in der Entwicklung ihrer Rollen begleitet. 'Sie waren bei mir im Krankenhaus, ich habe sie durch die Abteilungen geführt, ich habe ihnen den Alltag in der Klinik erklärt', so Cranach. Zudem habe man sich sehr mit der Geschichte der Psychiatrie auseinandergesetzt. 'Das Stück ist vor der Reform der Psychiatrie entstanden', erklärt von Cranach. So hat Nadja Ostertag, die Regisseurin, ein wenig frischen Wind in das Stück gebracht. Ostertag: 'Wir haben vor allem die Sprache an die Jugend von heute angepasst.' Zudem sitzt nun einer der Patienten vor einem PC, mit dem er Viren durch die Welt schicken will. 'Das irritiert mich', sagt Cranach, dem wichtig ist, dass die Zeitkomponente erkennbar bleibt. Ansonsten aber blieb das legendäre Buch von Ken Kesey, das Milos Forman mit Jack Nicholson verfilmt hat, unverändert. Da ist natürlich R. P. Mc Murphy, der eines Tages in die Irrenanstalt eingewiesen wird, das er als Alternative zum Gefängnis gewählt hat, beobachtet vom großen Indianer, der lange schweigt, von Mc Murphy jedoch aus seiner Welt herausholt wird. Da sind die ganzen anderen wunderbaren Figuren, die 'Chronischen', etwa Martini, der nichtexistente Sachen sieht, der Stotterer Billy Bibbit, der Chef des Patientenrates, der spießige Harding. Sie werden kontrolliert und streng gehalten von Schwester Ratched, vor der selbst der Arzt gar nichts zu melden hat. Viel mehr als eine Irrenanstaltsgeschichte aber ist es eine Anti-Establishment-Geschichte, eine Geschichte gegen Hierarchien, Machtmissbrauch und Schweigen. Warum Kesey dazu das Leben in einer Irrenanstalt gewählt hat, weiß von Cranach: 'Die Welt in einer Irrenanstalt ist wie die Gesellschaft, nur durch ein Brennglas vergrößert.
' Aber, so Cranach, der Autor hat einen Fehler gemacht: 'Der Autor hat sich nicht getraut, einen wirklichen Patienten auszusuchen, der den Mund aufmacht. Mit Mc Murphy hat der Autor leider einen Außenstehenden zum Helden erkoren.' Nach den Proben diskutiert das Team: Was bringen Elektroschocks? Wie würde man die Fälle einstufen? Ist der Indianer wirklich eine selbstunsichere Person oder der Drahtzieher im Hintergrund? Und immer wieder betont von Cranach, dass das Stück vor der Reform der Psychiatrie geschrieben wurde. 'Damals galt es, die Menschen, die nicht funktionieren, wegzusperren.' Heute dagegen ginge es darum, sie in die Gesellschaft zu integrieren: 'Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei höchstens 20 Tagen', erklärt von Cranach. Doch auch heute noch sei 'Einer flog über das Kuckucksnest' ein aktuelles Stück, darin sind sich alle einig. Besonderen Spaß etwa hat von Cranach an der ironischen Darstellung der gruppentherapeutischen Sitzung im Stück: 'Das ist zwar sehr überzeichnet, aber so könnte es tatsächlich ablaufen. Deswegen ist die Gruppentherapie bis heute sehr umstritten.' Simone Schatz i Premiere ist am Freitag, 30. September. Weitere Termine: Donnerstag, 6., Freitag 7., Samstag 8., Freitag 14., Samstag 22., Sonntag 23. Oktober, jeweils 19.30 Uhr, Freitag 28. Oktober, 20 Uhr, anschließend Podiumsdiskussion. Vorverkauf bei Lotto Toto Engels, Hafenmarkt 5, (08341) 2313.