Ein Bergführer aus dem Allgäu hat die letzten Minuten der Germanwings-Maschine aus geringer Entfernung miterlebt. Er war in der Nähe des Absturzortes in den französischen Alpen unterwegs.
Irgendetwas ist anders an diesem Vormittag. Es ist nicht das Flugzeug, das Stefan Neuhauser dort, auf 2500 Metern Höhe, irritiert. Das nicht. Flugzeuge sind in dieser Gegend in den französischen Alpen immer wieder zu hören. Doch der Flieger, der ihn aufhorchen lässt, ist tiefer unterwegs als sonst. 'Die Fluggeräusche waren komisch', erzählt Neuhauser später.
Lauter, sehr viel lauter. Minutenlang ist der Lärm zu hören. 'Ganz so, als ob ein Flugzeug noch einmal durchstartet', sagt der Allgäuer. Oder wie im Landeanflug. 'Wir schauen in den Himmel, einen Flieger aber sehen wir nicht.' Und plötzlich dann, schlagartig, ist es ganz still.
Der Bergführer Stefan Neuhauser aus Kempten ahnt nicht, dass er Ohrenzeuge einer der größten Flugzeug-Katastrophen der letzten Jahre geworden ist. An diesem Morgen ist er mit sechs Kunden auf einer Skitour in Vallon du Crachet unterwegs. Er kennt die Gegend gut, regelmäßig führt der 50-Jährige Touristen durch die französischen und italienischen Alpen.
Die Gruppe ist früh aufgebrochen. Denn statt auf der italienischen Seite in Valle Stura auf Tour zu gehen, sind die Tourengeher die 25 Kilometer über den Pass auf die französische Seite gefahren. 'Das Wetter', sagt Stefan Neuhauser: 'ein Genua-Tief'. Heißt: In Italien regnet es, in Frankreich ist es den ganzen Tag über sonnig und schön. Ein paar Wolken nur ziehen über den Himmel. Ansonsten: feinster Pulverschnee.
Wirt in einer Hütte erzählt vom Absturz der Germanwings-Maschine
Die Gruppe ist auf etwa 2500 Metern Höhe, als dieses merkwürdige Fluggeräusch zu hören ist. 'Sehr laut, sehr ungewöhnlich', beschreibt es Stefan Neuhauser am Telefon. 'Das passt nicht hierher.' Er sei sich ganz sicher gewesen, dass die Maschine 'total nah' sein müsse, sagt er. Auf einmal dann ist der Lärm weg. Schlagartig. Keine Detonation ist zu hören gewesen, keine Explosion, nichts.
Die Gruppe kehrt kurz darauf in einer Hütte ein, wo der Wirt vom Absturz der Germanwings-Maschine erzählt. Neuhauser und seine Begleiter sind völlig überrascht: 'An so was denkt man natürlich nicht', sagt der Bergführer. Er ist schwer betroffen von der tragischen Auflösung des Rätsels um den Fluglärm. Und davon, dass er – wie er am Abend herausfindet – keine zehn Kilometer Luftlinie von der Absturzstelle entfernt war. Zeugen gibt es offenbar nur sehr wenige: Eric ist einer von ihnen, der Betreiber eines Restaurants im nahe gelegenen Allos. Auch er wird durch ungewöhnliche Geräusche aufmerksam. Im französischen Fernsehen sagt er: 'Ich habe den großen Lärm des Triebwerks gehört, das hat mich beunruhigt.'
Hunderte Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz
Ein Militärhelikopter ortet das Flugzeugwrack schließlich auf 2700 Metern Höhe, am Bergmassiv Les Trois Évêchés (Die drei Bistümer). Da das zerklüftete und verschneite Gebiet für Fahrzeuge nicht erreichbar sei und keine Straßen zur Absturzstelle führen, erfolge der schnellste Zugang mithilfe von Helikoptern, erklärt Frankreichs Staatsminister für Verkehr, Alain Vidalies im fernen Paris.
Nach dem heftigen Aufprall liegen die Trümmer der Maschine in einem Umkreis von zwei Quadratkilometern herum. Hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Gendarmerie und Feuerwehr sowie medizinisches Personal werden mobilisiert, um möglichst schnell mit den Bergungsarbeiten zu beginnen. 'Da das Gebiet extrem abgelegen ist, stellen wir uns auf eine schwierige und langwierige Rettungsaktion ein', erklärt Pierre-Henry Brandet, Sprecher des französischen Innenministeriums.
Die Unglücksstelle sei bergig und schroff, sagt auch Bernard Bartolini, Bürgermeister der nächstgelegenen Gemeinde Prads-Haute-Bléone. Niemand kann etwas dorthin bringen, weil sie zweieinhalb Stunden Fußmarsch vom nächsten Haus entfernt ist und sich das Massiv mitten in den Bergen befindet.
Bei Angehörigen schlägt die Vorfreude auf das Wiedersehen in Entsetzen um
Während die Rettungskräfte vor Ort mit technischen Problemen zu kämpfen haben, ist am Flughafen in Düsseldorf nichts als Verzweiflung. Eine Frau muss von einem Begleiter gestützt werden. Ihr Gesicht ist tränennass. Sie wird rasch in einen abgeschirmten Bereich geführt.
Etwa 20 Menschen warten im Ankunftsbereich des Airports, als ihre Vorfreude auf das Wiedersehen mit ihren Lieben und die Ankunft von Flug 4U 9525 aus Barcelona in fürchterliches Entsetzen umschlägt.
150 Menschen waren an Bord des abgestürzten Airbus A 320 der Lufthansa-Tochter Germanwings. Überlebt hat niemand. Der Flughafen hat einen Krisenstab eingesetzt. 15 Notfall-Seelsorger eilen herbei, betreuen die Angehörigen, geschützt vor neugierigen Blicken in einer VIP-Lounge. Ein Notarztwagen fährt vor, Sanitäter verschwinden in der Lounge.