Von Michael Munkler Kempten - 3500 Euro Strafe muss ein ehemaliger Lehrer der Kemptener Waldorfschule zahlen, weil er einen zur Tatzeit etwa acht Jahre alten Schüler vom Stuhl gezerrt und mit dem Kopf gegen die Tafel gestoßen hatte. Im Urteil des Kemptener Amtsgerichts (100 Tagessätze zu je 35 Euro) ist von je einem Fall der fahrlässigen und einem der vorsätzlichen Körperverletzung die Rede. Amtsgerichtsdirektor Gerhard Dambeck warf in der Urteilsbegründung auch der Schule eine gewisse Mitschuld vor. Denn der 35-jährige Lehrer hatte zur Tatzeit gar keine Genehmigung, um eine Grundschulklasse zu unterrichten. Dambeck: 'Das wird wohl auch schulaufsichtlich noch eine Rolle spielen.'Der Fall liegt schon rund fünf Jahre zurück und war erst im vergangenen Sommer ins Rollen gekommen, als ein Vater an die Öffentlichkeit ging und Waldorf-Lehrern Gewalt gegen Schüler vorwarf. In der gestrigen Hauptverhandlung konnte nicht genau geklärt werden, wann genau der Übergriff auf den Schüler stattfand. Der 35 Jahre alte Angeklagte räumte ein, dass er damals falsch reagiert habe. Er habe den Schüler aber nicht verletzen wollen.
Geduldsfaden gerissen Der Mann bejahte die Frage von Amtsgerichtsdirektor Dambeck, ob ihm möglicherweise der Geduldsfaden gerissen sei. Laut Anklageschrift hatte der 35-Jährige zuerst den Schüler gepackt, 'um ihn anschließend sogleich wieder heftig nach unten auf den Stuhl zu drücken.' Dadurch habe das Kind eine Steißbein-Prellung erlitten. Ja, der Hintern habe ihm weh getan, schilderte der heute 13-Jährige vor Gericht. Weil unmittelbar nach dem ersten Übergriff der Schüler trotz der Anweisung des Lehrers das Klassenzimmer nicht verließ, kam es erneut zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Er habe den ständig störenden Schüler am Arm gepackt und nach vorne gezogen, räumte der 35-Jährige ein. Dabei sei das Kind vorne an der Tafel über ein Podest gestolpert und mit dem Kopf gegen die Tafel gestoßen. Drastischer dagegen war die Schilderung des inzwischen 13-Jährigen: 'Er hat mich gegen die Tafel geschleudert.' Danach habe er Kopfschmerzen verspürt. Der Lehrer sei 'einer Vorbildsfunktion in keinster Weise gerecht geworden', warf dem Angeklagten die Staatsanwältin vor: 'Im Zustand der Überforderung sind sämtliche Grenzen überschritten worden.' Sie forderte für den Vater von zwei Kindern eine Strafe von 150 Tagessätzen zu je 35 Euro. Der Verteidiger dagegen plädierte auf Freispruch und meinte, dass die Folgen des Vorfalls nicht gravierend gewesen seien. Auch hätten nicht einmal die Eltern Strafantrag gestellt. Der Verteidiger stellte zudem die Glaubwürdigkeit der minderjährigen Zeugen in Frage. Neben dem Geschädigten waren zwei ehemalige Klassenkameraden vernommen worden. Nach Angaben von Richter Dambeck wertete das Gericht das Geständnis und die Ehrlichkeit des Angeklagten als stark strafmildernd. Das Urteil von 100 Tagessätzen zu 35 Euro ist jedoch noch nicht rechtskräftig. 'Ich glaube nicht, dass das Bestand hat', deutete der Verteidiger des ehemaligen Lehrers an, dass er Berufung einlegen werde. Nach dem Vorfall war der Lehrer aus dem Schuldienst ausgeschieden und arbeitet seitdem als Hausmeister an der Kemptener Waldorfschule. Dass er zur Tatzeit keine entsprechende Qualifikation für das Unterrichten in der Grundschule hatte, wird möglicherweise ein juristisches Nachspiel haben.