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Geklappert wird nur noch für die Gäste

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Geklappert wird nur noch für die Gäste

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    Wie die Bläsismühle zum Muster für die Tourismusgeschichte wurde Von Bernd Volland Pfronten Es klapperte die Mühle am rauschenden Bach. Ja, das tat sie. Lang ist´s her. So lange, dass sich Georg Kienle gar nicht mehr daran erinnern kann. Damals war der Stall hier, wo Kienle jetzt sitzt, die Hand am Kinn, den Bart in Erinnerung kraulend, unter sich den Marmorboden, hinter sich die antiken Bauernschränke. Aus dem Stall ist die Stube geworden. Besser: das Wohnzimmer, fast schon: der Salon. Die Kienles und ihre Vorfahren waren immer da. Damals als jene Bläsismühle sie zu einfachen Müllern machte. Heute, da sie vor allem eine große Immobilie ist, eine Ferienanlage. So alt ist die Bläsismühle, dass keiner mehr genau weiß, wann sie errichtet wurde. Gewiss ist: Bereits 1540 befand sich die "Mühle im Wald" im Besitz eines Hansen Strobel. Anschließend wanderte sie durch die Jahrhunderte und durch die Hände seiner Nachkommen, bis sie im 18. Jahrhundert ein gewisser Babel betrieb. Blasius mit Vornamen - und seitdem nennt man den Ort am Gießbach in Pfronten-Heitlern die "Bläsismühle". Im Lauf des Zeitrades gab´s zwei Brände und zweimal Zuwachs: eine Sägemühle - und eine Knochenmühle. "In der hat man Tiergebeine zermahlen. Das Mehl wurde auf die Wiesen gestreut, damit das Wild nicht das Gras aufäst", kann noch heute Georg Kienle erklären, im Jahr 2000 mit Kunstdünger, Pes- tizide und Marmorboden im alten Stall. Noch Großvater Martin hatte die Mühle betrieben. Als Letzter. 1924 wurde der Betrieb eingestellt. Das Rad des Fortschritts war schneller gelaufen als das Mühlrad: "Mit den riesigen Walzenstühlen in den Fabriken konnte die Mühle nicht mithalten."Das Mühlrad wurde durch Turbinen ersetzt - und die Bläsismühle zur Knopffabrik.

    Auch die verkaufte Martin Kienle schließlich an die Cousine. Der Abstieg der Mühle war der Aufstieg der Kienles. Vor allem dank Maria, Georgs Mutter. 1941 eingeheiratet, brachte sie nicht nur unbändige Arbeitskraft, sondern auch Vermögen in die Familie, erklärt Petra Kienle, Georgs Frau: "Eine gute Partie." Dazu eine mit Ideen. Bald nahmen die Kienles erste Feriengäste auf: zwei Mark für Übernachtung mit Frühstück. Das Mühlrad stand still, die Tourismusmühle lief an. In den 40er Jahren kamen die laut Kienle ersten beiden Ferienwohnungen Pfrontens dazu. 1978: Anbau. 1984: ein weiteres Gebäude, Schwimmbad, Kegelbahn, Solarien, Aufenthaltsräume. 1994: ein Verwaltungsgebäude. Die Geschichte der Kienles und der Bläsismühle ist die Allgäuer Tourismusgeschichte. Vom kargen Handwerksbetrieb zur Ferienanlage. Die Gäste kommen, weil sie sich geborgen wähnen in "einer guten alten Zeit", wie es Petra Kienle nennt. "Eine eklige Zeit", sagt Georg Kienle, zieht die Schultern hoch, streckt die Arme zur Seite, Handflächen nach oben - eine Geste der Gelassenheit, weil man nichts ändern konnte damals. Hart war´s halt, bei Hochwasser und wenn der Bach fror: "Bei Eiseskälte mussten wir raus, den ganzen Bach mit Brettern zudecken, das Eis zerstoßen."Daran erinnert heute fast nichts mehr, niemanden, auch nicht die Urlauber in den 32 Ferienwohnungen. Keine Bretter auf dem Gießen - und eigentlich auch kein Mühlrad. Mit dem Aufstieg der Bläsismühle ist das alte, unnütze Rad vermodert. So stark, dass man es vor einem halben Jahr abmontieren musste, aus dem Bach nehmen und an das Garagenhaus lehnen. Nun aber wollen die Kienles ein neues bauen lassen und es in den Bach setzen. Damit es erinnert an die gute alte Zeit. Ein Gedenkstein ist schon aufgestellt. Aus Erdverbundenheit macht Georg das, meint die Frau. Im Prospekt steht´s auch: "Es ist ja durchaus werbeträchtig, das Ganze."

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