Die Anziehungskraft der Erde ist auch nicht mehr das, was sie einmal war: Auf duftigen Wolken grast ein Rind, als sei es gleichsam federleicht. "Kuhmulus" nennt der Oberstdorfer Horst Weiss sein Ölgemälde. Und es belegt bei dieser "Südlichen 2009", der Jahresausstellung Bildender Künstler aus dem südlichen Oberallgäu und den angrenzenden österreichischen Exklaven Kleinwalsertal und Jungholz, humorvoll die These, dass Kunst den Horizont erweitere.
In der Tat zeigen sich viele der 32 Aussteller in ihren Arbeiten fantasievoll und zum Teil auch von neuer Seite. Auffällig sind dabei die Dominanz der gegenständlichen Darstellung und die Dominanz der Malerei.
In beide Kategorien fällt das symbolträchtige Ölgemälde "Die Weiden" von Magdalena Willems-Pisarek aus Wertach, das den von der Sparkasse Allgäu ausgelobten Preis "Der erste Ankauf" erhält. Vorstandsmitglied Gerhard Dorn lobt die Vielschichtigkeit der in dunklen Farben gehaltenen Arbeit, die an einer Gruppe stark gestutzter alter Bäume ungebrochenen Lebenswillen demonstriert: Eine Vielzahl dünner Zweige wächst aus den Stümpfen dem Himmel entgegen.
Malerisch noch beeindruckender wirkt Pisareks Ölbild "Zwischen", in dem die Silhouetten eines ins Wasser steigenden Paares in ein Meer aus Licht eintauchen. Solch hohe handwerkliche Qualität offenbaren viele der rund 140 Arbeiten im Oberstdorfer Kunsthaus Villa Jauss. Etwa das Ölgemälde "Ein erster Blick" von Matthias Herzog aus Sonthofen, auf dem ein fast lebensecht wirkendes Orang-Utan-Baby den Betrachter mit glänzenden Kulleraugen anblickt.
Unkonventionelle Wege
Herzog ist einer jener Künstler, die heuer erstmals in dieser Jahresausstellung vertreten sind (die Aussteller werden stets aufgrund ihrer Leistung von einem Künstler-Gremium eingeladen) und diese angenehm bereichern.
Zu ihnen zählt auch Josef Schmid aus Bad Hindelang, der auf dem Acrylbild "Zugkühe" den vierbeinigen Fleisch- und Milchlieferanten in kühner Farbigkeit und mit noch verwegenerer Fantasie sogar Flügel verleiht.
Unkonventionelle Wege beschreiten auch bestens etablierte Künstler: Der Maler Franz Meier aus Sonthofen zum Beispiel löst in "Photoshooting I und II" die Konturen der Gesichter einer fotografierenden Gruppe zu schwammigen Gebilden auf und lässt so die Menschen zu geisterhaften Gestalten mutieren. Gänzlich unsichtbar geworden ist der Benutzer eines Stuhls, den der Hindelanger Bildhauer Willi Tannheimer aus Holz geschaffen hat: Nur eine Jacke mit Kapuze lässt die Konturen der Gestalt erahnen.
Ganz genau hinschauen
Die "Energiewelten" von Waltraud Funk aus Immenstadt, vier Holzstelen mit flammenartigen Einkerbungen, zeugen von dem Kraftaufwand, der für ihre Bearbeitung notwendig war, und symbolisieren zugleich freiwerdende Kräfte. Zwei Torsi aus Muschelkalk von Matthias Buchenberg, Bildhauer aus Vorderburg, offenbaren nur noch demjenigen, der ganz genau hinschaut, die dezenten Andeutungen eines menschlichen Körpers.
So versucht diese Südliche den Blick des Betrachters zu schärfen, in dem sie nicht mit spektakulärer experimenteller Technik aufwartet, sondern mit eher traditionellen Stilmitteln und gediegenem Können präzise Schlaglichter auf das Leben wirft. Ein Augenzwinkern ist oft dabei: Ulrike Merz aus Oberstaufen schickt in der Keramik "Boa" eine dicke Dame wie ein sich zierendes Model auf den Laufsteg.
Öffnungszeiten: "Die Südliche 2009" ist bis 1. November im Oberstdorfer Kunsthaus Villa Jauss zu sehen, mittwochs bis sonntags jeweils von 15 bis 18 Uhr.