Von Markus Noichl |KemptenViele junge Gesichter, aber auch aufgeschlossene 'Oldies' sah man beim Konzert von Rainer von Vielen und seiner Band 'Kauz' im Archäologischen Park Cambodunum.
'ElektroPunkHop' nennt das heimische Multitalent, als Rainer Hartmann geboren, seine markante Mischung aus Sprechgesang, gewürzt mit tibetisch-mongolischer Kehlkopfakrobatik. Die Band mit Niko Lai (Schlagzeug), Mitsch Oko (Gitarre) und Dan LeTard (Bass) musiziert zeitgemäße Beats. Auch Mr. Laptop ist mit im Spiel. Die Texte dazu haben es in sich. Ein 'attac'-Transparent vor der Bühne signalisiert, dass hier nicht nur Party gemacht wird. Kosum und Oberflächlichkeit sind Themen bei Rainer von Vielen. Dass manche Girlande des kunstvoll geschnitzten Sprachwerks von der wuchtig rockenden Band übertönt wurde, war schade. Da wäre weniger Beiwerk manchmal sogar mehr gewesen.
Es geht um Themen, die sonst kaum jemand anrührt, wie zum Beispiel den Tod. 'Keiner will an mich denken, bis ich ´Hi, wie geht´s‘ sage', lässt der 31-Jährige den Sensenmann auftreten ('Seine Augen haben Zeitalter von Leben gehen sehen, damit sich groovende Seelen auf neuen Ebenen drehen') und verleiht dem unwillkommenen Gast mit mongolischem Unterton-Geknarre eine Stimme, die einem schon die Gänsehaut auf den Rücken jagen kann.
'Du hast alles verloren, um dich selbst zu finden', lautet die radikale Antwort an jemanden, der sich über sein Pech im Leben beklagt und jammert, immer die A-Karte zu ziehen. Verbiestert missionarisch geht es allerdings nie zu. 'Sheila, tanz deine Revolution', heißt der Refrain über eine junge Frau, die ihr Leben in die Hand nehmen möchte.
Mit Wort-Assoziationen jongliert RvV wie mit bunten Bällen, manchmal auch mit Keulen. Zum Beispiel: 'Tretminen-Lebenswege, Fussangel, Köderfisch, Knetgummiausbildung, Zeugnis, wieder´n Wisch. Studium, Musterknabe, Hörsturz, Schwachstelle, Rückzug, Singlezimmer, Seelenleben Baustelle Plan A: Ich passe mich den Umständen an. Plan B: Ich rebelliere, wo ich nur kann. Plan C: Ich setze ganz auf Sicherheit. Plan D: Ich mache mich fürs Chaos bereit.'
Zwischendurch schnaubt, grunzt und wiehert der etwas andere Entertainer auch Vokalpercussion ins Mikrofon. Oder, Überraschung, hängt sich ein kleines Akkordeon um und singt melancholische Liebeslieder.
Dass dieser Mann von heute, der auf einem Bauernhof in Kimratshofen lebt und arbeitet, in Kempten auftreten konnte, war höchste Zeit.