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Für seine Hängematten bereiste Josef Köpf die Welt

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Für seine Hängematten bereiste Josef Köpf die Welt

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    Füssen/Schwangau (sza). - Mit herumhängen hatte das nichts zu tun: Der gebürtige Schwangauer Josef Köpf hat vier Jahre lang 'Die Welt der Hängematte' bereist und darüber geschrieben. Heraus gekommen ist eine faszinierende Mischung aus Bildband und Nachschlagewerk, die dem Leser zeigt, was alles hinter so einer scheinbar simplen Sache wie der Hängematte steckt. Die Verbindung zur Hängematte ist alt. Köpf ist Mitinhaber des Hängemattengeschäfts Jobek in Füssen. Seiner Erfahrung nach war selbst bei Händlern das Wissen über ihre Ware 'geradezu haarsträubend'. Höchste Zeit also für ein bisschen Aufklärung. Vier Jahre lang reiste der jetzt 49-jährige Köpf mit seiner Kamera durch Mittel- und Südamerika, besuchte Hängemattenfabriken in China und Indien, kämpfte sich vor Ort durch Bibliotheken auf der Suche nach Wissen und sprach mit vielen, vielen Menschen. Seit einem Jahr lebt er selbst in Brasilien, dem Hängematten-Land schlechthin, in dem zehntausende Menschen von ihrer Herstellung leben. Als Glücksfall erwies sich der Kontakt zur Schweizer Ethnologin Annemarie Seiler-Baldinger, die vor zwei Jahren ihre Doktorarbeit über Hängematten abgeschlossen hatte. Dank Köpfs Co-Autorin erhält das Werk ein solides wissenschaftliches Fundament.

    Ein Geschenk der Götter Wobei die Suche nach dem Ursprung der Hängematte schwierig ist. Die frühesten Hinweise stammen aus dem 5. Jahrhundert vor Christi Geburt aus dem Gebiet des Amazonas und des Orinoko. Den Ureinwohnern zufolge wurde die Hängematte nicht erfunden, sondern ist ein Geschenk der Götter: Eines Tages zogen die Menschen die Fasern aus Palmblättern, legten sie auf den Boden und am nächsten Morgen lag eine fertige Hängematte da. Und sie erwies sich als sehr praktisch: Man hielt Abstand zum feuchten Boden und den dort lebenden Tieren. Außerdem hat sie kultische Bedeutung. In vielen indianischen Kulturen spielt die Hängematte eine wichtige Rolle bei Initiationsriten für Jugendliche: Mädchen müssen zwei Wochen lang mit einer Gesichtsmaske darin liegen bleiben und Buben mehrere Tage in vier Metern Höhe ausharren.

    Praktisch und Platz sparend Ein paar Jahrhunderte später 'entdeckte' Christoph Kolumbus nicht nur Amerika, sondern auch gleich die Hängematte. Mit dem Schiff kam sie dann - im doppelten Wortsinn - nach Europa. Weil sie praktisch und Platz sparend war, mussten Schiffmannschaften fortan in dem hängenden Stoff schlafen. Natürlich ging dies nicht ohne kulturelle Missverständnisse ab. Der Europäer legte und legt sich längs in die Hängematte - wie in sein Bett. Die Indios aber legen sich quer hinein. Damit haben sie eine überraschend ebene Liegefläche. Auch das Einziehen von Querstäben geht vermutlich auf eine ungenaue Überlieferung der europäischen Eroberer zurück - die Indios kennen sie jedenfalls nicht. Heute ist die Hängematte eines der letzten Relikte indianischer Kultur, sagt Köpf, der lange und ernsthaft über die Seele der Hängematte philosophieren kann: Die Hängematte als Gegenmodell zum stressreichen, materiellen Lebensentwurf Europas. Dass das Buch nach vier Jahren Arbeit vollendet ist, erfülle ihn mit Zufriedenheit. Auch wenn ihm eines noch nicht gelungen sei: Die Seele der Hängematte zu fotografieren. Aber dazu hat er in Brasilien jetzt alle Möglichkeiten. i 'Die Welt der Hängematte' von Josef Köpf und Annemarie Seiler-Baldinger im Selbstverlag, 192 Seiten, ISBN 3-88006-188-2, 49 Euro, erhältlich bei der Firma Jobek in Füssen.

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