Beim ersten Durchgang geht der Vorhang gar nicht erst auf. In Waal wird die Massenszene beim Einzug Jesu in Jerusalem geprobt, bis zum Beginn der Passionsspiele sind es nur noch wenige Wochen. Doch beim "Hosanna" verpassen die Frauen im Chor, der hinter dem Vorhang die Szene einleitet, den Einsatz. Zweiter Versuch. Der Einsatz klappt, der Vorhang geht auf, doch die Sänger verlassen zu langsam ihre Position. Dann eben noch einmal. Regisseur Florian Martin Werner lässt nicht locker. An diesen Tag wird geprobt, bis die Szene sitzt, bis "Jesus" Thomas Hindinger auf seinem Esel endgültig Richtung Tempel reitet.
Wenn Werner nicht Spielleiter in Waal geworden wäre, hätte er auch selbst einen prima Jesus abgegeben: 37 Jahre alt, also nur vier Jahre älter als Christus zu Passionszeiten, das lange Haar zum Pferdeschwanz gebunden. "Ich hab gleich gesagt: nicht mal als Ersatz", stellt der "Neue" klar, der bei der ersten Aufführung der Passion seit 2001 ein schweres Erbe angetreten hat. Denn damals, vor acht Jahren, führte noch der inzwischen verstorbene Otto Kobel, jahrzehntelang der "spiritus rector" der Waaler Passionsspiele, Regie. Im Jahr 2003 hatte der Kaufbeurer Peter Pius Irl die Leitung der Laienbühne übernommen, doch der Theaterprofi erreichte die Herzen der Waaler nie so wie Kobel. Nach "Becket oder die Ehre Gottes" warf Irl 2006 das Handtuch. Zu dem Stück, das manche als nichtchristlich genug empfanden, hatten Irl sogar Drohbriefe erreicht.
Keine Berührungsängste
Vom religiösen Gehalt her ist das Passionsspiel freilich eine Bank. Und auch Werner ist mit den Eigenheiten des christlichen Theaters vertraut. Der studierte Theaterwissenschaftler und Germanist arbeitet als Erzieher im Internat St. Ottilien, wo er auch das Schulspiel betreut. Der praktizierende Christ schrieb bereits selbst mehrere Stücke, die in St. Ottilien und in Landsberg, wo er bei der Landsberger Bühne aktiv ist, aufgeführt wurden. Berührungsängste hatte der 37-Jährige, der die Theaterleidenschaft von seinem Vater geerbt hat, nie. "Für mich ist das aber eine große Aufgabe", sagt er.
Werner geht diese Aufgabe mit viel Ruhe an, aber auch mit der nötigen Strenge gegenüber den Laiendarstellern, von denen viele schon seit Jahrzehnten bei den Inszenierungen dabei sind. Denn Florian Werner, der die 2001er Inszenierung Otto Kobels nur als Videoaufnahme kennt, will etwas ändern.
Action auf der Bühne
"Kobel war Bildhauer, für ihn war das Bühnenbild das Wichtigste", sagt er. Er selbst sei ein "Schauspieler-Regisseur", bei ihm müssten sich die Darsteller bewegen, spielen, auch wenn sie gerade keinen Text hätten. Da herrsche auf der Bühne Action statt statuenhaftes Herumstehen. Der Unterschied ist sichtbar: Bei der Vertreibung aus dem Tempel fliegen die Tische, die Geißelung Christi fällt unter Werners Regie weit drastischer aus als früher.
"Da hat es beim Zuschauen Einige ganz schön gerissen", berichtet der Spielleiter. Es weht ein anderer Wind, auch wenn heuer - wie 2001 - die überarbeitete Version des Originaltextes von 1791 auf dem Programm steht.
Nächster Versuch, wieder die Massenszene. Noch viel Arbeit für Werner. Zu Beginn schiebt eine Frau ihrer Kinder nach vorn, dabei bittet sie zwei Herren, Platz zu machen. Doch die sind - etwas zu pflichtbewusst - noch vor dem Einsatz ihrer Darstellerkollegin zur Seite getreten. Werner greift ein. Es gebe keinen Grund, sich zu beeilen. "Sonst können wir den Jesus auch gleich raufhängen."
Premiere der Waaler Passion ist am Sonntag, 10. Mai, um 13 Uhr, danach ist das Stück bis September jeweils sonntags zu sehen. Kartenvorverkauf von Montag bis Donnerstag beim Passionstheater, Theaterstraße 7, in Waal, Telefon 08246/96 90 01, Fax 08246/969011, E-Mail: info@passion2009.de
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