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Freiheit wird uns nicht geschenkt

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Freiheit wird uns nicht geschenkt

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    Kaufbeuren | ofr | Kirchenaustritt hin oder her: Auf Eugen Drewermann lässt Thomas Blab nichts kommen. Für den Pfarrer der Thomaskirche auf dem BKH-Gelände ist der Kirchenrebell 'ein Wegweiser' und einer der wenigen, 'die in die Weite des Geistes blicken können'. Dass er den Paderborner Theologen, Philosophen und Psychoanalytiker für einen Vortrag im Festsaal des Bezirkskrankenhauses gewinnen konnte, freute Blab so sehr, dass er Drewermann gleich zum 'Ehrenbürger' seiner katholischen Pfarrgemeinde ernannte.

    Fürs Signieren seines neuesten Werkes (eine zweibändige, kiloschwere Abhandlung über die moderne Neurologie und die Frage nach Gott) hatte Deutschlands bekanntester Kirchenkritiker keine Zeit. Seiner Meinung nach tickt eine gesellschaftliche Zeitbombe, die jede Minute hochgehen kann. Das will er verhindern. Auf dem Spiel stehe nichts Geringeres als unser freier Wille. Neueste Forschungen hätten ergeben, dass dieser wahrscheinlich gar nicht existiert. Es verdichteten sich unter anderem Indizien dafür, dass Entscheidungen im Gehirn fallen, bevor sie dem Betreffenden bewusst sind. Und die Kirche, sagt Drewermann, hat auf die zunehmend mechanisierte Sicht des Menschen als biochemische Maschine keine Antwort.

    Bedeutung der Religion

    Allerdings meint er auch: 'Die Neurobiologen können uns zwar messen, aber nicht wirklich verstehen.' Die wahre Bedeutung der Religion beginne da, wo die Naturwissenschaft an ihre Grenzen stößt ' wobei nicht immer klar wird, ob Drewermann nun tatsächlich Religion oder Ethik oder Moral oder alles miteinander meint, weil sich das in seinem Kosmos aus Philosophie, Psychoanalyse, Weisheiten der Weltreligionen, Gentechnik-Erkenntnissen und Hirnforschungen schlicht nicht festmachen lässt. Konkreter wird er in seinem Ratschlag: 'Freiheit wird uns nicht geschenkt ' wir müssen sie erwerben.' Auch, dass wir die Sünde mit Liebe bekämpfen sollen.

    Was auf uns zu kommt, wenn wir das zunehmende Wissen um die funktionalen Vorgänge in unserem Hirn falsch nutzen und deuten, schildert Drewermann überdeutlich: So könnte sich unser Rechtssystem etwa auf einen Schlag als ein Unrechtssystem entpuppen, weil man Menschen für Taten verantwortlich macht, die eigentlich Opfer ihrer Gehirnstruktur und genetischen Vorbelastung sind. Die Frage, wie viel wir von unserem Tun selbst zu verantworten haben und der alte Gelehrtenstreit, ob die genetische Ausstattung des Menschen oder seine Sozialisation für sein Handeln ausschlaggebend sind, nehmen fast eine halbe Stunde in Anspruch.

    Danach präsentiert er eine mitunter verwirrende Mischung aus Fakten, Lehrmeinungen, alttestamentarischen Phrasen und der finalen Drewermannschen Deutung des Ganzen, die man entweder begeistert abnickt oder geduldig erträgt. Obwohl ihm Kritiker vorwerfen, sich zu sehr auf den Hindu-Gott Shiwa zu konzentrieren: In Drewermann steckt immer noch ein echter Katholik mit gehörigem Respekt vor dem Teufel. Zu merken ist das etwa, wenn er den Verlauf eines Streitgespräches analysiert, und dann nebenbei feststellt, dass 'schwefelige Sätze' gewechselt werden.

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