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Fingerspitzengefühl gefragt

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    Lehrwart Gutowski über den Job des Bundesliga-Schiedsrichters Hergatz (row). Sie sind die Prügelknaben der Nation. Und während Ballack oder Ailton Millionengehälter kassieren, verrichten die Bundesliga-Schiedsrichter für einen Bruchteil dessen ihren oft undankbaren Job. Seit acht Jahren hilft Bernhard Gutowski als Verbandslehrwart mit, die Spitzenschiedsrichter - darunter auch jene aus dem Fußballoberhaus - auf ihre Einsätze vorzubereiten. Wir sprachen mit dem 43-Jährigen aus Hergatz über seine Arbeit.

    Als Schiedsrichter hat man es schwer, ob in der Kreis- oder in der Bundesliga. Aber der Druck auf den Unparteiischen im Fußballoberhaus ist besonders groß. Wie geht man damit um?Gutowski: Ich habe mich in meiner Arbeit mit den Spitzenschiedsrichtern besonders mit dem Thema Persönlichkeitsbildung und Stressbewältigung befasst. Man muss hierbei zwischen Stressbelastungen vor, im und nach dem Spiel unterscheiden. Was den Stress vor dem Spiel angeht, sollte sich der Schiedsrichter auf die Aufgabe entsprechend vorbereiten. Dazu gehören so einfache Dinge wie ausgeschlafen und ohne Hektik zum Spiel anzureisen. Es gibt Unparteiische in der Bundesliga, die vor dem Anpfiff Entspannungsübungen machen - wie ich finde, eine sinnvolle Sache. Denn während eines Bundesligaspiels ist der Stressfaktor brutal hoch. Wichtig ist, dass man abschaltet und sich nur auf das Spiel konzentriert. Beobachten und beurteilen lautet die Devise. Auf keinen Fall darf man während des Spiels eine einmal gefällte Entscheidung selbst in Frage stellen. Das verunsichert einen total. Also auch keine Konzessionsentscheidungen treffen?Gutowski: Davon rate ich dringend ab. Wird der Pulsschlag angesichts der Adrenalinausschüttung zu hoch, gilt es, das Spiel langsamer zu machen, also schneller zur Pfeife zu greifen oder die Vorteilsregelung einmal nicht anzuwenden. Die dritte Stressphase beginnt nach dem Abpfiff. Ein Schiedsrichter sollte zuerst in die Kabine gehen, duschen und dann mit Medienvertretern sprechen. Strittige Szenen lässt man sich am Monitor zeigen, bevor man sie kommentiert. Es empfiehlt sich ein ehrliches Statement, also ruhig Fehler zugeben. Das gilt auch für den Amateurbereich. Was halten Sie von der Einführung eines Profischiedsrichters in der Bundesliga?Gutowski: Ich halte dies nicht für sinnvoll, da es nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Leistungen führen würde. Problematisch ist es, da die Schiedsrichter aus Altersgründen maximal zehn Jahre lang in der Bundesliga pfeifen können. Und was kommt danach? Die Altersvorsorge und andere Fragen der sozialen Absicherung müssten vorher geklärt werden. Meiner Meinung nach ist eine angemessene Bezahlung, wie sie seit drei Jahren praktiziert wird, besser. Was verdient ein Bundesliga-Schiedsrichter?Gutowski: In der Bundesliga gibt es pro Einsatz 3000 Euro. In der 2. Liga sind es 1500 Euro. Ein Assistent erhält die Hälfte davon. Die Aufwandsentschädigungen sind aber noch zu versteuern. Was hat sich in den vergangenen Jahren im Umgang der Spieler und Trainer mit dem Schiedsrichter im Profigeschäft verändert?Gutowski: Das Verhältnis hat sich aufgrund der gegenseitigen Akzeptanz und Wertschätzung zunehmend entspannt. Einzelne Ausreißer wie der Angriff von Willi Reimann auf den vierten Offiziellen bleiben die Ausnahme. Die Schiedsrichter ihrerseits sind sich der Tatsache bewusst, dass die Spieler und vor allem die Trainer unter einer enormen Anspannung stehen und es nicht selten um Existenzängste geht. Hier beweisen die Unparteiischen meines Erachtens ein sehr gutes Fingerspitzengefühl.

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