Stadtrat Betriebsform beschlossen - Europaweite Ausschreibung - Kritik an Stadt und Stadtbaumeister">

Artikel: Fernwärme soll es über Genossenschaft geben

19. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Stadtrat Betriebsform beschlossen - Europaweite Ausschreibung - Kritik an Stadt und Stadtbaumeister

Marktoberdorf | af | Von einem "vielleicht historischen Tag für Marktoberdorf" sprach Baureferent Carl Singer (Freie Wähler). Denn am Montag brachte der Stadtrat das Fernwärmenetz auf den Weg. Es soll, so beschloss es die Mehrheit, als dreiteilige Genossenschaft betrieben werden, an der die Stadt bis zu 60, mindestens aber 51 Prozent hält. An dem Projekt sollen sich eine Bürger- und eine Nutzergenossenschaft beteiligen. Möglichst ab September nächsten Jahres soll Wärme geliefert werden. Das wiederum hielt Stadtbaumeister Peter Münsch für "nicht realistisch", weil allein die geforderte europaweite Ausschreibung viereinhalb Monate in Anspruch nimmt.

Nach der von Bürgermeister Werner Himmer präsentierten Zeitschiene liegt die Bauzeit für das Netz bei fünf Monaten. Die Rohre sollen möglichst ab April verlegt werden. Zuvor müsse ein Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung erstellt werden. Außerdem müssten eine Betreibergesellschaft gegründet und die Satzung ausgearbeitet werden. Himmer sprach von einem "ehrgeizigen Zeitplan".

Außer der europaweiten Ausschreibung brachte Münsch das Wärmekataster mit der Ermittlung potenzieller Abnehmer ins Spiel. Das war in der jüngsten Umweltausschusssitzung vermisst worden (wir berichteten). Auch das aufzustellen, dauere zwei bis drei Monate.

Hinzu komme, dass nicht mehr allein die Futtertrocknungsgenossenschaft Ruderatshofen mit ihrer Anlage bei Geisenhofen Wärme liefern wolle, sondern noch zwei weitere Anbieter mit der Stadt im Gespräch sind.

Lange genug diskutiert

Dem hielt Singer entgegen, es sei lange genug diskutiert worden, "die Fernwärme steht doch schon vor der Haustür". Bekanntlich bezieht AGCO/Fendt bereits Wärme. Außerdem dränge die Sanierung des Hallenbads wegen des maroden Blockheizkraftwerks. Weil auch Experten sagten, das Netz bis zum Schulzentrum rechne sich, "sollten wir das Ganze zu einem Erfolgsprojekt für Marktoberdorf machen".

Dem wiederum hielt Münsch entgegen, dass sich die Fernwärme für das Hallenbad zum vorliegenden Preis nicht lohne. Vielmehr sei im Vergleich zu selbst produzierter Wärme mit Mehrkosten von bis zu 90000 Euro pro Jahr zu rechnen.

Das sei "ein Haufen Geld", räumte FW-Fraktionsführer Wolfgang Schmid ein. Doch zum einen stünden die Preise nicht endgültig fest, zum anderen soll das Fernwärmenetz mit Gewinn betrieben werden, was wiederum auch der Stadt als Mehrheitseigner zugute komme. "Das ist, als wenn ich meinen Geldbeutel von einem Hosensack in den anderen stecke."

Kritik gab es von CSU-Fraktionschef Markus Singer. Es wäre längst Aufgabe der Stadt gewesen, die Daten möglicher Anschließer zu sammeln. Auch für Gerhard Küster (Grüne) hätte in der Zwischenzeit etliches passieren können. "Wir sollten uns jetzt reinknien", forderte er. Auch Axel Maaß (Grüne) bekannte, er sei es gewohnt, von Chancen zu sprechen.

Carl Singer sprach direkt den Stadtbaumeister an: "Sie haben auch die Aufgabe, eine positive Stadtentwicklung mitzutragen. Ich höre aber nur Bedenken." Das ließ Münsch nicht auf sich sitzen. Er verwies auf seine Erfolge unter anderem beim Sanierungskonzept für Modeon und Hallenbad, was der Stadt erheblich Kosten einspare.

In ruhigem Fahrwasser verlief die Diskussion über die Betreiberform. Eine GmbH könne schneller arbeiten, die Stadt habe immer das Sagen, argumentierten die einen. Eine Genossenschaft sei mindestens genauso schlagkräftig und erzeuge bei den Beteiligten ein Wir-Gefühl. Die Mehrheit entschied sich für das Genossenschaftsmodell.