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Familienausflug zum Tätowierer

Memmingen

Familienausflug zum Tätowierer

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    Familienausflug zum Tätowierer
    Familienausflug zum Tätowierer Foto: roland schraut

    Rockmusik und ein summendes Geräusch erfüllen den Saal der Stadthalle: Es ist das Brummen der Tätowiernadeln, die über Schultern, Hüften und Waden gleiten. An diesem Wochenende findet in Memmingen die 7. Tattoo- und Piercing-Messe statt. Rund 1000 Besucher sind es nach einer Schätzung des Veranstalters Elmar Baur, die von Stand zu Stand gehen und Vorlagenbücher durchblättern.

    26 Tätowierer und Piercer stellen ihr Können unter Beweis. "Normalerweise wären es deutlich mehr Aussteller", sagt Baur. Das Schneechaos am Samstag habe jedoch Besucher und Aussteller abgeschreckt, die eine weite Anreise haben. Zudem stehe die Messe heuer in Konkurrenz zu weiteren in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Memmingen kann dafür mit Tätowierlegende Herbert Hoffmann aufwarten. Er gilt als weltweit ältester Künstler seiner Zunft und hat rund 40000 Menschen tätowiert. Der heute 90-Jährige wünschte sich von Kindheit an eine Tätowierung. "Während des Nationalsozialismus war das aber verboten."

    In der sowjetischen Kriegsgefangenschaft wollte ein befreundeter Wächter, der selbst ein Hautbild hatte, Hoffmann tätowieren. Dazu fehlte aber die Ausrüstung. Erst 1949 - nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft - war es soweit: Aus Verbundenheit zu seinem Freund ließ sich Hoffmann an derselben Stelle dasselbe Bild stechen: Das Seemannsmotiv "Glaube, Liebe, Hoffnung". Schnell seien es mehr Bilder geworden. "Heute sind es ungefähr 1000. Immerhin musste ich 15 Jahre warten und hatte Nachholbedarf."

    Den Wunsch nach mehr kennt auch Besucherin Ulrike Heintel aus Neu-Ulm. Die 43-Jährige hat bereits zwei Tattoos. Auf ihrem Handgelenk steht der Name ihres Sohnes Luca, ihren Fuß ziert eine Blumenranke. Heute soll es ein Blumenmuster auf dem Oberarm sein. Der Grund: "Ich finde es einfach schön."

    Für ihre Schwester Petra Heintel-Sprenger, die sich gerade eine Sternenranke in den Unterarm stechen lässt, ist es das erste Tattoo. "Die Sterne stehen für meine Kinder und andere Menschen, die mir wichtig sind." Nebenan wird derweil der Arm von Heintels 18-jähriger Nichte Rebecca mit einem Motiv aus einer Tattoo-Zeitschrift versehen. "Ein richtiger Familienausflug", sagt Ulrike Heintel und lacht.

    Nicht als Schmuck, sondern als Zeichen der Zugehörigkeit zum kriminellen Milieu wurde das Tattoo in Herbert Hoffmanns Anfangsjahren aufgefasst. Es sei stets sein Ziel gewesen, die gesellschaftliche Akzeptanz zu verbessern.

    Als wichtigen Schritt sieht er den Auftritt in der Fernsehsendung "Was bin ich?" mit Robert Lemke im Jahr 1963, welcher ein starkes öffentliches Interesse ausgelöst habe. Heute sei die Tätowierung gesellschaftsfähig, sagt Hoffmann und verweist auf die vielen Messen, das enorme Interesse an Tattoos und auf Hochschulabsolventen unter den Tätowierern: All das mache ihn glücklich - "und ein bisschen stolz". (ver)

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