Oberstaufen: Experte: Wirtschaftskraft von Tourismus überschätzt

16. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Einnahmen - Kritik an "argumentativem Missbrauch" durch Kommunen Viele Gemeinden mit Angeboten für Urlauber sind verschuldet

Der Tourismusexperte Prof. Thomas Bausch von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München hält die wirtschaftlichen Effekte des Tourismus für "gnadenlos überschätzt". Bausch sprach auf Einladung derGrünen-Landtagsfraktion bei deren Winterklausur in Oberstaufen (Oberallgäu).

Bausch sagte, der Tourismus werde von Kommunen häufig für Investitionen "argumentativ missbraucht", um eigene Wunschvorstellungen zu rechtfertigen. Dabei sei der erwirtschaftete Beitrag oftmals gar nicht so hoch. "Es wird eine Abhängigkeit vom Tourismus suggeriert, die es tatsächlich gar nicht gibt." Als Beispiel nannte Bausch den Markt Garmisch-Partenkirchen, wo lediglich 25 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung auf den Tourismus entfallen.

Auch die steuerlichen Effekte reichten in den meisten Fällen nicht aus, um die kommunalen Bedürfnisse allein über diesen Wirtschaftszweig zu finanzieren, sagte Bausch.

Orte wie Garmisch-Partenkirchen oder Oberstaufen erhalten pro Übernachtung zwar Steuereinnahmen von immerhin rund 5 Euro beziehungsweise 4,70 Euro, aber bei kleineren Gemeinden wie Ramsau (bei Berchtesgaden) halbieren sich diese Werte nahezu. "Da braucht eine Gemeinde unbedingt mehr Standbeine", empfiehlt der Experte. Dennoch würden nicht wenige Kommunen die Steuereinnahmen direkt wieder in den Tourismus stecken. Das Geld fehlt dann aber für andere kommunale Verpflichtungen. Die Folge: Gemeinden verschulden sich, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2006 waren von 918 Kommunen mit einem touristischen Angebot 17 unter den 20 bayerischen Gemeinden mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Das Fazit des Experten: Tourismus könne einen Ausgleich schaffen für Regionen in einer Randlage.

Als alleiniges Standbein reiche der Sektor mangels Wirtschaftsleistung für Kommunen häufig nicht aus.

Ebenso wie der Münchener Tourismusexperte sehen die Grünen im Bayerischen Landtag den Werbeeffekt sportlicher Großveranstaltungen für den Tourismus als nicht belegt. In einem Positionspapier betont der Allgäuer Landtagsabgeordnete Adi Sprinkart, dass sich "Sportveranstaltungen in keinem Fall erkennbar positiv auf die Entwicklung der Gästezahlen auswirken." Als Beispiele nennt Sprinkart Oberstdorf mit der Ski-WM 2005 Garmisch mit seinem Neujahrsspringen und Ruhpolding mit dem Biathlon-Weltcup.