Zeugen Jehovas an Gemeinschaft weist Kritik als 'Lügen' zurück. Von Klaus-Peter Mayr Kaufbeuren Seit jeher gelten die 'Zeugen Jehovas' als verschwiegene Gemeinschaft, über deren Innenleben wenig nach Außen dringt. In Kaufbeuren hat sich das geändert. Aussteiger haben sich zur Selbsthilfegruppe 'Sektenausstieg Allgäu' zusammengetan. Sie plaudern nicht nur Interna aus, sondern klagen die Zeugen auch an. Noch-Mitglieder und Aussteiger bitten um Hilfe, vielerorts hält die Gruppe Vorträge. Die Zeugen Jehovas bezeichnen die Vorwürfe von 'Sektenausstieg Allgäu' als Lügen.
Gut drei Jahre ist es her, dass Emmy Kriegisch die Zeugen Jehovas verlassen hat. 'Wenn man merkt, dass alles Lug und Trug ist, wird man rebellisch', sagt die 61-jährige Kaufbeurerin als Begründung. Doch die Trennung von der 160-köpfigen Kaufbeurer 'Versammlung', der sie vorher 26 Jahre lang innig verbunden war, ging schmerzhaft vonstatten. Denn ihre Rebellion richtete sich auch gegen die eigene Familie. Ihr Sohn sowie ihr Bruder, der zugleich Kaufbeurer Chef-Ältester ist, blieben der Gemeinschaft treu. Beide reden nun nicht mehr mit ihr. Wenn Emmy Kriegisch darüber spricht, beginnt sie zu weinen.
Wer es wagt, die Zeugen Jehovas zu verlassen, gerät in die größte Krise seines Lebens, sagt Kriegisch. Doch sie hat nicht resigniert, sondern zusammen mit anderen Ex-Zeugen die Selbshilfegruppe gegründet.
Die Gruppe richtet schwere Vorwürfe an die Adresse der Zeugen Jehovas. Sie sei eine totalitäre Organisation, die ihre Mitglieder bespitzle, gängle und Druck ausübe. 'Ich weiß von drei Selbstmordveruchen von Jugendlichen', sagt Gruppenmitbegründer Robert-Michael Schlittenbauer. Die Selbstötungsrate bei den Zeugen sei sehr hoch (was die Polizei nicht bestätigt). Außerdem pflege die Organisation der Zeugen, die Wachturm-Gesellschaft, Kontakte zu Sekten wie Scientology, behauptet Schlittenbauer.
Seit ihrer Gründung vor vier Monaten hat sich die Selbsthilfegruppe laut Schlittenbauer zur gesuchten Ratgeberin entwickelt. Duzende von Anrufen gingen ein. Darunter viele von jungen Zeugen Jehovas. Kinder und Jugendliche wüßten oft nicht mehr weiter, weil sie zwischen den Elternteilen stünden, oder weil sie ein Doppelleben zwischen Elternhaus und Schule führen müssten. 'Sie leiden am meisten.' Außerdem sei die Prügelstrafe durch die Eltern 'an der Tagesordnung'.
Wie wird den Ratsuchenden geholfen? 'Wir bieten Einzel- und Gruppengespräche an, telefonieren mit Betroffenen und besuchen sie', sagt Schlittenbauer. Inzwischen sind auch Schulen und Kirchen aus fast allen Allgäuer Städten an 'Sektenausstieg' herangetreten und bitten um Aufklärungsvorträge.
'Alles Lüge', sagt Erich Kriegisch, der Kaufbeurer Chef-Älteste, zu den Vorwürfen. Die Zeugen Jehovas seien keine Sekte und haben auch keine Verbindungen zu anderen Sekten.
Er bestreitet auch, dass methodisch Druck auf die eigenen Mitglieder ausgeübt werde und dass Ausgestoßene und Abtrünnige gemieden und geächtet sind. Die Zeugen richteten sich in ihrem Verhalten nach dem eigenen Gewissen und nach der Bibel. Und die empfehle nun mal im 2. Johannesbrief (Vers 8 bis 11) jene nicht zu grüßen, die der falschen Lehre anhängen, so Kriegisch. 'Jesus war ja auch hart im Angriff auf die Schriftgelehrten und Pharisäer.'