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Es war alles richtig und gut

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Es war alles richtig und gut

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    Von Veronika Krull Sonthofen Siegfried Fritsch war 27, als ein Bergunfall sein Leben grundlegend veränderte. Durch den Bruch des fünften und sechsten Halswirbels war der junge Maschinenbauingenieur aus Rettenberg von einem Tag auf den anderen querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl und die Mithilfe seiner Umgebung angewiesen. Heute ist Fritsch 60 und sagt: Wenn ich mein Leben reflektiere, dann war alles für mich richtig und gut so. Als Siegfried Fritsch vor mehr als 30 Jahren mit einem Freund eine Bergtour in den Dolomiten unternahm, hatte er kurz zuvor sein Studium abgeschlossen und danach eine Stelle bei Bosch in Seifen angetreten. Er war frisch verheiratet, die Tochter ein knappes Jahr alt. Der Ingenieur, der in Vorderburg geboren und aufgewachsen ist, hatte die soliden Grundsteine für sein weiteres Leben gelegt. Diese Grundfesten wurden zutiefst erschüttert, als er und sein Freund nach einer Klettertour vor einem Unwetter Schutz in ihrem Zelt suchten. Ein riesiger Felsbrocken, zehn Tonnen schwer, löste sich aus dem Berg und donnerte talwärts, traf dabei das Zelt und die beiden Bergsteiger. Erst nach drei Wochen, erinnert sich Fritsch, habe er das Ausmaß seiner Verletzungen erkannt: Er konnte nicht mehr laufen, die Hände waren beeinträchtigt, das Tastempfinden gestört, die Finger unbeweglich. Es folgten Jahre des Haderns und der Verzweiflung, er spielte mit dem Gedanken an Suizid. In dieser Zeit zerbrach auch seine Ehe. Wer hat ihm in diesen Stunden beigestanden? Seine Familie, antwortet der Jüngste von vier Brüdern, und eine überkonfessionelle Glaubensgemeinschaft. Geholfen habe ihm aber auch seine Arbeit.

    Nach seinem Unfall konnte er bei Bosch seine Tätigkeit in der Abteilung Entwicklung und Konstruktion mit halber Stundenzahl wieder aufnehmen. Das präzise Zeichnen war ihm zwar nicht mehr möglich, aber mit einer Schreibhilfe konnte er Skizzen fertigen zunächst für Verbesserungen der Benzineinspritzung, später für ABS-Systeme. Drei Jahre nach der Scheidung hat Siegfried Fritsch erneut geheiratet. 20 Jahre hielt diese Verbindung, ein Adoptivsohn wurde groß gezogen. Heute lebt der 60-Jährige allein in einem hübschen Häuschen in Sonthofen. Er wird betreut von einem privaten Pflegedienst, der dreimal täglich ins Haus kommt und beim Waschen und Anziehen hilft, ihm Essen kocht und ihn abends gegen 22 Uhr zu Bett bringt. Ein junger Putzmann der Lebenshilfe macht bei ihm einmal in der Woche sauber, um das Abendessen kümmern sich abwechselnd gute Bekannte. So wie Fritsch, der 2001 in den vorgezogenen Ruhestand trat, überhaupt viele Freunde hat. Er ist Mitbegründer der Gruppe Handicaps und ihre Freunde und oft genug auch Ratgeber bei Lebensproblemen. Und Fritsch, der mehr und mehr die Erfüllung in sich selber findet, schöpft aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz. Sein Wunsch ans Leben: Ich möchte eine klarere Antwort auf die Frage, wer ich bin. Ein schöner Schluss. Doch am Ende des Gesprächs meint Fritsch, das klinge doch allzu idealistisch und bekennt, dass es natürlich auch Tage gebe, an denen er durchhänge. Aber das lasse ich einfach zu. Inzwischen kann ich es.

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