Statt Freude und Besinnlichkeit dominieren zu Heiligabend vielfach Ärger und Stress. Schuld sind häufig die viel zu hohen Erwartungen an ein ganz besonders harmonisches Fest, sagt der Chefarzt der Waldburg-Zeil Klinik Alpenblick, Dr. Johannes Vogler. Wir sprachen mit dem Psychotherapeuten über Wege, wie Weihnachten tatsächlich zu einem frohen Fest werden kann.
Also Herr Doktor Vogler, dann verraten Sie uns mal das Rezept für ein garantiert harmonisches Weihnachtsfest!
Vogler: Selbstverständlich gibt es kein Patentrezept für Weihnachten und den Heiligen Abend, wie es natürlich auch kein Patentrezept für ein harmonisches Leben gibt.
Hm, das ist jetzt ein Stück weit enttäuschend. Können Sie denn sagen, warum in vielen Familien so viel schief läuft an Weihnachten? Warum es häufig nicht das Fest der Liebe und Freude, sondern des großen Ärgers wird?
Vogler: Viele Menschen setzen sich durch ihre maximal hohen Erwartungen an ein besonders schönes und harmonisches Fest selbst unter einen immensen Stress und Druck. Alles soll perfekt, liebevoll, sanft und friedlich sein. Enttäuschungen und Konflikte entstehen dann dadurch, dass die Anderen dieses Harmonie- und Liebesbedürfnis nicht ausreichend wahrnehmen, nicht würdigen oder selbst mit der Situation überfordert sind.

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Und was kann man dagegen tun?
Vogler: Indem man nicht alles auf diesen einen Zeitpunkt projeziert. Anstatt ausschließlich Weihnachten zu feiern, Ostern, Pfingsten, Erntedank und Allerheiligen aber zu ignorieren, sollten wir vielmehr den Bezug zum ganzen Kirchenjahr herstellen. Weihnachten allein trägt nicht übers Jahr.
Wer in seinem Alltag bewusst spirituell lebt, bekommt eine andere Wahrnehmung. Das ganze Kirchenjahr - und eben nicht nur an Weihnachten - ist Zeit zur Besinnung und Andacht als eine Form, die Anregung zum Leben gibt.
Konkret heißt das was?
Vogler: Es geht tagtäglich darum, sich die Frage zu stellen: Wie will ich mein Leben leben? Viele erfahren ihren Alltag - und somit auch Weihnachten - als Tyrannei der Erwartungen, von Wünschen, die andere an einen richten. Aber der Mensch sollte sich an sich selbst orientieren. Dazu gehört, sich selbst auch einmal vor äußeren Reizen zu schützen. Vor Terminen, Informationsflut, vor gesellschaftlichen Verpflichtungen
Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, dieser Schutz mag im Privaten ja möglich sein, aber im Beruf? Wie wollen Sie sich da vor Terminen schützen?
Vogler: Es geht darum, eine Haltung zu entwickeln. Wie gelingt mir das Leben? Jeder Mensch hat die Freiheit und die Fähigkeit, sich zu entspannen. Wenn ich mich jede Stunde zwei Minuten ganz bewusst entspanne, oder mir am Tag eine halbe Stunde Zeit nehme, dann bekomme ich eine andere Qualität. Dann macht mein Leben einen Unterschied. Wenn ich elf Monate des Jahres mit dieser Haltung bestreite, wenn ich Rituale pflege, dann werde ich auch in der Adventszeit nicht unter Druck geraten. Es besteht die große Chance, an Weihnachten wunderbare Tage zu erleben.
Wie wichtig ist eine genaue Planung für den 24. Dezember selbst?
Vogler: Man sollte in der Familie den Tag schon einmal durchgesprochen und gemeinsam geplant haben. Wie soll der Abend ablaufen? Welche Erwartungen gibt es an die Geschenke? Wer hat welche Wünsche? Wer kocht? Wie werden die anderen Aufgaben verteilt? Zu welcher Zeit soll gefeiert werden? Wenn diese Punkte geklärt sind, und sich alle an den Plan halten können, ist schon viel getan für ein harmonisches Weihnachtsfest.