Kaufbeuren (bbm). - 'Ziehen Sie doch weg. Wir sind hier gerne unter uns und wir mögen unseren Rasen englisch!' empört sich 'Kläger' Klaus Rossa als selbsternannte 'Speerspitze der Nachbarschaft' in einem nachgestellten Zivilprozess über die 'Beklagte' Astrid Schmeken und deren blühende Naturwiese. Der handfeste Nachbarschaftsstreit, bei dem Justiz-Mitarbeiter im voll besetzten Sitzungssaal ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellten, war beim gestrigen 'Tag der Justiz' im Kaufbeurer Amtsgericht ein echter Publikumsmagnet. Aber auch die vielfältigen weiteren Angebote (Referate, Führungen und eine Ausstellung zum Betreuungsrecht) fanden lebhaften Anklang. Dass dieser Tag ohne das große persönliche Engagement der Mitarbeiter nicht möglich gewesen wäre, hob Amtsgerichtsdirektor Dr. Ulrich Deisenhofer in seiner Begrüßung hervor. Der Einsatz sei umso höher einzuschätzen, als die Mitarbeiter ohnehin schon durch Personalnot stark belastet seien. Ein besonderer Dank galt auch der Caritas für die 'große Mühe beim Aufbau der Ausstellung zum Betreuungsrecht'. Die Ausstellung wurde gemeinsam mit den Betreuungsstellen von Stadt und Landkreis entwickelt und stieß beim Tag der Justiz auf großes öffentliches Interesse. Rechtspfleger Peter Kuhn vom Vormundschaftsgericht war ein gefragter Ansprechpartner und konnte bei dieser Gelegenheit so manches Missverständnis korrigieren. Er machte beispielsweise deutlich, dass Betreuungen für Menschen, die nicht mehr für sich selbst sorgen können, beispielsweise weil sie an Altersdemenz leiden, 'keineswegs leichtfertig' verfügt würden.
Vielmehr ginge der Entscheidung stets eine akribische Prüfung durch Behörden und Fachärzte voraus. Wie wichtig ein genauer Überblick über eine oftmals völlig verfahrene Situation ist, wurde auch in der Informationsveranstaltung des Familiengerichts deutlich. Richter Michael Eberle diskutierte mit den zahlreichen Zuschauern anhand eines Videos einen Fall des Fernsehgerichts, in dem Eltern zunächst mit harten Bandagen um das Sorgerecht kämpften, sich letztlich aber doch zum Wohl des Kindes einigten. Ein solches 'Happy End' sei im Alltag des Familiengerichts leider nicht immer erreichbar, bedauerte der Richter. Dass die Justiz nicht selten mit schwierigen menschlichen Schicksalen konfrontiert ist, ging auch aus den Vorträgen von Rechtspfleger Kurt Geischberg und Obergerichtsvollzieher Georg Rüppl hervor, die über Vollstreckungsmöglichkeiten, von der Lohnpfändung bis zur Zwangsversteigerung, und den Alltag eines Gerichtsvollziehers referierten. Interessante Informationen boten auch Grundbuchamt und Nachlassgericht sowie Notarverein und örtliche Anwälte. Nach einer Einführung durch Ottmar Huffschmid, den Vorstand des Rechtsanwaltsvereins, gab es Referate zu Themen wie Arbeits- und Miet- und Strafrecht, Familienrecht und Mediation. Bei den Notaren ging es um Testament und Erbvertrag, Vorsorgevollmacht und Betreuung sowie um eheliches Güterrecht. Und wer einmal erfahren wollte, wie sich die Rechtssprechung durch die Jahrtausende hindurch entwickelt hatte, war beim Vortrag von Richter Ralf Tietz zur Geschichte des Rechts an der richtigen Adresse. Die historische Reise startete 'in einer Zeit, in der die Leute mit Speeren und Keulen durch die Steppe trabten' und führte über die Mesopotamische Kultur und Antike bis ins Mittelalter und schließlich in die Neuzeit. Den neuzeitlichen 'Prozess' vor dem Zivilgericht verlor der 'Kläger' übrigens trotz heftiger verbaler Gegenwehr. Zivilrichter Fritz Weber machte ihm im Urteil deutlich, dass er seine Vorstellungen von einem gepflegten Rasen seiner Nachbarin nicht aufzwingen könne und eine gewisse Vielfalt bei der Gartengestaltung dulden müsse. Das Verfahren endete mit fehlender Einsicht beim Kläger - 'das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen' - und begeistertem Applaus der Zuschauer.