Es war ein Entgegenkommen in mehrfacher Hinsicht: Der Schrott-Künstler Peter R. Müller erhielt den Kulturpreis der Stadt Kaufbeuren am Dienstagabend in der Turbinenhalle auf dem Trümmergelände Neugablonz. Der Stadtteil liegt zum einen geografisch näher an Müllers Wirkungsstätte Irsee. Vor allem entsprechen die rohen Betonwände des Bunkergebäudes aber viel besser Müllers kraftvollen Werken und wohl auch seinem Naturell, als dies bei den üblichen Veranstaltungsorten der Wertachstadt der Fall gewesen wäre.
Müller, der im März aus insgesamt 19 vorgeschlagenen Kulturschaffenden als Preisträger ausgewählt worden war (wir berichteten), scheint der Veranstaltungsort zugesagt zu haben. Er, der nicht gerade für euphorische Ausbrüche bekannt ist, schlenderte vergnügt durch die große Schar der Gäste aus der Kulturszene und aus dem Stadtleben. Zudem machten mehrere seiner großen Schrott-Plastiken auf dem Gelände und auf der provisorischen Bühne in dem ehemaligen Kraftwerksgebäude deutlich, wer hier für was ausgezeichnet wird.
Oberbürgermeister Stefan Bosse nahm die Parallelen zwischen Ehrungsort und Geehrtem auf: "Peter Müller und sein künstlerisches Schaffen, geboren aus dem Funkenflug der Ideen, gewachsen unter der Wucht gewaltiger Hammerschläge, in der Glut der Esse, im gleißenden Strahl des Schweißbrenners. Da bietet sich ein Kraftwerk als angemessener Ort an." Zwischenapplaus brandete auf angesichts dieser ungewohnt lyrischen Worte des OB.
Doch Bosse bereitete die Zuhörer damit nur auf die Laudatio des Schweizer Medienwissenschaftlers Dr. Fritz Franz Vogel vor. Der Müller-Experte, der auch für die Herausgabe der Skizzenbücher des Schrott-Künstlers in Buchform verantwortlich zeichnete, präsentierte statt einer Lobrede ein vergnüglich-kritisches rhetorisches Feuerwerk. Vogel hatte sich Gedanken gemacht, was sich wohl Müller so für Gedanken zur Verleihung des Kaufbeurer Kunstpreises gemacht haben könnte. So räsonierte er wie ein Maschinengewehr - und gab dabei auch etliche verbale Schüsse ab - über den Sinn von Kunstpreisen an sich, über die Motivation der Stadt, ihm die mit 2000 Euro dotierte Auszeichnung zukommen zu lassen, oder über die Frage, ob ein Kunstpreis einem Künstler nicht Angst machen sollte. Dies gelte schon allein wegen der 18 weiteren Vorgeschlagenen, die den Preis heuer nicht bekommen haben (siehe auch Info-Kasten).
Dann kam endlich der Preisträger selbst - wie gewohnt mit grobem Sakko und quer gestreiftem Matrosenhemd - auf die Bühne, um die Verleihungsurkunde entgegenzunehmen. Und auch bei seiner Dankesrede blieb sich der Künstler treu: "Es war schon immer mein Traum, vor so vielen Menschen zu reden", meinte er augenzwinkernd. Der Preis und seine Verleihung seien "eine ganz große Aufregung und Ehre" für ihn. Mehr wolle er dazu aber nicht sagen, "da kommen sonst nur Hanswurstiaden raus". Viel lieber griff er zum Kontrabass-Bogen und brachte eine seiner Skulpturen zum Klingen. Nach und nach stimmten Müllers langjähriger Freund Sigi Schwab an der Gitarre, sein Bruder Thomas Müller am E-Bass und Ramesh Shotman am Schlagwerk mit ein. Peter Müller selbst griff einige Stücke später noch zur Mundharmonika und jazzte mit.
Doch spätestens dann drängten die Gäste nach draußen in die fast laue Sommernacht und ließen den anregenden Abend vor der künstlerisch beleuchteten Fassade der Turbinenhalle ausklingen. So war der ungewöhnliche Veranstaltungsort nicht mehr nur ein Zugeständnis an den Preisträger, sondern trug viel zur angenehm lockeren Atmosphäre bei, die einer Preisverleihung beileibe nicht immer zu eigen ist.