Kempten (buc). Mit ihren drei Kindern ist sie gerade vom Friseur gekommen, vorm Haus wartet eine volle Wäschespinne darauf, entladen zu werden, Mittag soll's natürlich was zu essen geben und nachmittags steht reichlich Arbeit in Haus und Hof an. Kommt ein kurzfristig angemeldeter Besucher da nicht ungelegen? 'Kein Problem', winkt Martina Hämmerle ab, denn: 'Organisation ist alles.' Und Organisieren, das tut Kemptens Ortsbäuerin gerne. Richtig gelesen. In Kempten gibt's eine Ortsbäuerin. Genau genommen sogar drei. In St. Lorenz, in Lenzfried und in Kempten-Stadt. Die von Kempten-Stadt ist seit 2001 Martina Hämmerle aus Unterwittleiters. In Gesprächen mit dem OB und der Verwaltung vertritt die 37-Jährige die Belange der 14 noch aktiven Landwirte von Kempten-Stadt. Die Zusammenarbeit mit den Behörden, lobt sie, 'klappt ganz prima'. Mit manchen Bürgern und deren Vierbeinern haben die Landwirte sehr viel mehr Probleme: 'Wahnsinn, was da an Abfall, Hundekot, Flaschen und Dosen in unseren Feldern liegt.' Landwirtin - das war an sich nicht der Beruf, den sich die Landwirtstochter aus Waltenhofen vorgestellt hatte. Nach Gymnasium und Fachabitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Augenoptikerin: 'Aber Sie wissen ja, wo die Liebe hinfällt ' Die Liebe sorgte dafür, dass Martina Hämmerle seit 1990 verheiratet ist - und Landwirtin. Für sie heißt das Aufstehen um 4.30 Uhr, Arbeit im Stall bis 6.30 Uhr, dann Frühstück richten für sich, ihren Mann Hermann und die drei Töchter Karola (7), Franziska (9) und Johanna (11). An drei Vormittagen arbeitet Martina Hämmerle als Hauswirtschafterin, die übrige Zeit kümmert sie sich ums eigene Haus, den Hof mit den 30 Milchkühen und 15 Jungrindern, den Garten, die Familie. Der gehören die Abende ('Es ist nicht mehr so, dass eine Frau den ganzen Tag auf dem Hof schuften muss') oder auch die Nachmittage, an denen sie mit den Kindern zum Baden geht. Wenn's die Zeit noch erlaubt, greift sie zu Buch ('Gerne Historisches und Themen aus der Naturkunde') oder Nähnadel.
Sorge ums Ehrenamt Oder hat als Ortsbäuerin zu tun. Der Besucher sieht die picobello aufgeräumten Räume, überschlägt im Geiste, ob er nach einem Tag voll Familie und Landwirtschaft noch Kraft und Lust hätte fürs Ehrenamt und fragt, wie Martina Hämmerle das auf die Reihe bekommt. 'Das Amt mache ich, so lange sie mich haben wollen', lacht sie und wird schlagartig ernst: 'Wenn keiner was tut, geht's bei uns in der Gesellschaft doch nicht mehr weiter.' Gerade bei Landwirten, wo es ohnehin an Frauen fehle, da sei das Nachwuchsproblem bei den Ehrenämtern gravierend. Das Amt der Ortsbäuerin, die Arbeit im Elternbeirat der Haubenschloßschule und im Gesamtelternbeirat der Stadt - für sie sind das keine Titel, um beim Damenkränzchen zu prunken, sondern Aufgaben, für die sie sich voll einsetzt, Ideale, die sie ihren Kindern oder Schulklassen, die ihren Hof zum jährlichen 'Kindertag' besuchen, vermitteln will. Nebenbei lernen die Mädchen und Buben, dass Müll und Hundekot nichts in Wiesen zu suchen haben. Die Kinder, weiß die Ortsbäuerin, achten dann genau drauf, dass ihre Eltern beim nächstes Ausflug alles richtig machen. Dann, hofft Martina Hämmerle, wird's eines Tages in den Wiesen wieder besser aussehen.