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Eine WG für Oma und Opa

Kempten/Schwangau

Eine WG für Oma und Opa

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    Freitag ist für Christl immer ein besonderer Tag. Denn da geht die 81-Jährige jede Woche zum Friseur. Den kurzen Weg dorthin kennt sie in und auswendig, ihn allein zu gehen ist für die rüstige Frau kein Problem. Doch es gibt andere Momente, in denen ihr Gedächtnis sie im Stich lässt. Ein Grund, weshalb sie nicht länger allein zu Hause wohnen konnte. Jetzt lebt die 81-Jährige in der Wohngemeinschaft für Senioren mit Demenzerkrankungen am Lotterberg in Kempten. Seit Ende 2007 gibt es die ambulant betreute WG, ein Gemeinschaftsprojekt vom Allgäuer Verein "Freunde demenzkranker Menschen", des Familienpflegewerks Kempten-Oberallgäu und des Allgäu Stifts.

    Wie lange Christl schon mit den anderen 19 Frauen und Männern im alten Hotel Garni wohnt, weiß sie nicht so genau. Die ältere Frau mit den adrett frisierten weißen Haaren zuckt mit den Achseln. "Aber heute Nachmittag gehen wir bei dem schönen Wetter noch spazieren", erzählt sie dann und lächelt.

    Ob sie gerne draußen spazieren gehen oder lieber drinnen Kreuzworträtsel lösen - in einer ambulant betreuten Senioren-WG soll jeder wenn möglich das tun können, was ihm gefällt. "Die Bewohner sind die Mieter in der WG. Sie leben komplett eigenständig, bekommen aber Unterstützung - beispielsweise von einem Pflegedienst - wo sie sie brauchen", sagt Silvia Schley von der WG am Lotterberg.

    Selbstbestimmung

    Darin unterscheidet sich eine ambulante Wohngemeinschaft von einem Alten- oder Pflegeheim. "Der Schwerpunkt liegt auf der Selbstbestimmung. Jede WG hat ein Gremium, das die Entscheidungen trifft. Darin sitzen Bewohner, Angehörige oder Betreuer", sagt Sabine Tschainer von der Fachstelle für ambulant betreute Wohngemeinschaften in Bayern.

    Gerade in den vergangenen Jahren hat Tschainer einen regelrechten Boom festgestellt, was die Entstehung von Senioren-WG betrifft. Genaue Zahlen gebe es noch nicht, da sich alle ambulant betreuten WG erst bis Mitte des Jahres bei den zuständigen Heimaufsichten melden müssen. Auch im Allgäu sind in den vergangenen Jahren einige ambulant betreute Wohngemeinschaften entstanden oder sind gerade im Aufbau. Und auch dort zeigt sich der bayernweite Trend - viele der Allgäuer WG haben lange Wartelisten.

    Vor allem Menschen mit Demenzerkrankungen profitieren von dieser Art des Zusammenlebens, ist Evi Griesmann überzeugt. Gemeinsam mit ihrem Mann Ferdinand hat sie im Oktober 2007 eine Senioren-WG für zwölf Bewohner in Schwangau (Ostallgäu) ins Leben gerufen. "Sie können eigentlich noch alles, sie haben nur vergessen, wie es geht", sagt Evi Griesmann über die Tücken dieser Krankheit.

    Individuelle Betreuung

    In diesem Fall sei individuelle Betreuung sehr wichtig. "Wir arbeiten uns auch in die Biografien der Leute ein, damit wir auf die Gewohnheiten der Menschen eingehen können." Da gibt es zum Beispiel die 85-jährige Klara, die gerne am Fenster mit Blick zum Forggensee sitzt. Denn sie stammt aus dem Ort Forggen - aus dem Weiler, der auf dem Gebiet des heutigen Forggensees lag und der in den 50er Jahren geflutet wurde.

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