Konzert Helen Schneider fesselt mehr als 300 Zuhörer mit beeindruckenden Darbeitungen">

Artikel: Eine Stimme, die unter die Haut geht

1. September 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
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Konzert Helen Schneider fesselt mehr als 300 Zuhörer mit beeindruckenden Darbeitungen

Von Klaus Bielenberg |FüssenMit drapiertem, schwarzen Kleid, tiefem Rückendekolleté, hohen Stiefeln und geschminkten roten Lippen betrat die mehr als zwei Jahrzehnte gefeierte Sängerin Helen Schneider die Bühne des Festspielhauses in Füssen. Im Rahmen des Festivals "Vielsaitig" fesselte sie mit ihrer Erscheinung, ihrer gekonnten, charmanten Moderation und vor allem mit ihrer Stimme die über 300 Zuhörer. Dazu kam noch die Band M´ Jobi, die weit mehr als eine gekonnte musikalische Begleitung bot.

Im ersten Teil des Programms waren es vor allem die Kompositionen von populären amerikanischen Songschreibern mit dem Thema "Frausein", die unter die Haut gingen. Wie Helen Schneider selbst betonte, stellten sie eine Art Autobiografie dar. Dabei wurde schon klar, dass die Künstlerin sehr schwer in eine Stilschublade einzuordnen ist. Sie beherrscht viele musikalische Felder. Carole Kings "You make me feel like a natural woman" brachte sie mit warmer, dunkler, volltönender Stimme.

Vortrag mit mystischen Zügen

Im Blues "Born in time" von Bob Dylan ließ sie ihre Seele sprechen - und es war ein erhabener, schwebender Vortrag mit mystischen Zügen, in dem sie sich in die Köpfe ihrer Zuhörer schwang, um da die Töne sanft verklingen zu lassen. "Das muss sein", sagte sie und brachte noch einmal einen Dylan mit "Just like a woman". Mit zarten Schattierungen kuschelte sie sich förmlich in die Melodie. Eine überzeugende Körpersprache, eindrucksvolle flüsternde Sprechpassagen und expressives Versenken dominierten in dem Antikriegslied von Emmylou Harris "Bang the drum slowly".

In einem Lied über die Liebe von Tom Waits "House, where nobody lives", ließ sie die schwelgenden und schmachtenden Passagen in berührender Weise erklingen. Zur Sache ging es im Song "By the rivers dark" von Leonard Cohen. Hier konnten sich auch die Instrumentalisten Mini Schulz (Bass), Jo Ambros (Gitarre) und Obi Jenne (Drums) richtig austoben.

Die Begeisterung für Peggy Lee nahm man Schneider ab, wenn man ihre Interpretation zu deren Lied "Some cats know" hörte. Sie führte zur Sinnlichkeit, die auch optisch im schleichenden Gang über die Bühne und in der Umgarnung des Bassisten sichtbar wurde. Eine fantastische konzertante Theatermusik boten die Instrumentalisten bei dem gruselig in die Gegenwart transformierten Vortrag des Märchens "Schneewittchen".

Die Künstlerin fesselte mit ihrem demonstrativen Sprechgesang und den unheimlich boshaften stimmlichen Ausbrüchen der "Stiefmutter" - so, dass man gerne noch mehr Beiträge dieser Art gehört hätte. Stark war Helen Schneider im balladesken Lied "Child again" von Udo Lindenberg. Sehnsüchte und Zerrissenheiten taten sich dabei auf. Und dann kam der von vielen Zuhörern ersehnte, unverwüstliche und fetzige "Rock´n Roll Gypsy". Das Publikum tobte und bekam zur Zugabe "Rock me and caress me", in dem auch die Band M Jobi mit tollen Soli brillierte.