Von Stefanie Heckel |KemptenManchmal können Steine sprechen. Und sie können Geschichten erzählen, die längst vergessen worden sind über die Jahrhunderte. In diesem Fall ist es ein kleines, kaum handtellergroßes Exemplar, das von einer gewaltigen Katastrophe berichtet. Viele Jahrhunderte schlummerte der unscheinbare Stein im Erdreich vor der St. Mang-Kirche, bis er nun bei den Grabungen wieder zu Tage gefördert wurde. Dieser Stein berichtet, dass im 14. Jahrhundert nach Christus ein großes Feuer auf dem heutigen St. Mang-Platz wütete. Ein Feuer mit so großer Hitze, dass der im Stein enthaltene Quarz zu Glas wurde und so den Experten hilft, das Geschehen rund um die beiden historischen Gotteshäuser, die Erasmuskapelle und die Michaelskapelle, zu rekonstruieren. Der kleine Stein ist nicht das einzige Brandopfer aus den Ruinen unter dem St. Mang-Platz. Massenweise Schädel und Knochen lagen damals ebenfalls in den Flammen - für die Historiker schließen sie nun eine Lücke in der Geschichte der beiden Kapellen. Bislang war nämlich ungeklärt, wie es überhaupt zu den beiden übereinander liegenden Gotteshäusern gekommen war. Normal nämlich war eine solche Konstellation nicht.
Nun allerdings stießen die Ausgräber auf die Brandspuren. Und diese belegen: Die Erasmuskapelle - ihre Grundmauern sind inzwischen komplett freigelegt - war eigentlich einmal eine Gruft. "Offenbar wurde diese Gruftkapelle im zwölften bis 13. Jahrhundert angelegt", erläutert Historikerin Birgit Kata. Drumherum befand sich der Friedhof - und weil dieser räumlich begrenzt war, wurden beim Aushub neuer Gräber alte Knochen aus der Erde geholt und dann in die Gruftkapelle gebracht. Ein durchaus übliches Vorgehen zu dieser Zeit, erklärt Kata.
Dann allerdings kam es zu dem verheerenden Brand. Dieser wütete so sehr in der Gruft, dass man noch heute dessen Spuren an den stark verkohlten Knochen sehen kann. Das Feuer führte dann wohl dazu, dass später nie wieder Gebeine in der Erasmuskapelle gelagert wurden. Die vom Brand verkohlten Knochen und Schädel jedenfalls wurden aus der Kapelle geholt und - fein säuberlich gestapelt - in einem Erdloch in der Nähe beigesetzt. Dort warteten die Gebeine Jahrhunderte in der Erde, bis die Kemptener sie nun wieder ausgruben.
Und wie geht es weiter am St. Mang-Platz? Die Experten sortieren und datieren derzeit die zahlreichen Keramikfunde aus den Ruinen. Denn die bisherigen Funde, so sagt Kulturamtsleiter Dr. Gerhard Weber, rechtfertigen durchaus weitere Untersuchungen.
Und bei Tiefbauamt läuft weiterhin die Prüfung, ob vor der St. Mang-Kirche vielleicht ein historischer Schauraum eingerichtet werden kann.
