Von Sibylle Mettler |ImmenstadtAnna (19) findet es gut. Sie ist froh, dass das Sozialpsychiatrische Zentrum der Diakonie von Sonthofen nach Immenstadt umgezogen ist. Statt einer dreiviertel Stunde dorthin braucht sie jetzt nur noch eine halbe Stunde Fahrzeit. Anna ist an einer Persönlichkeitsstörung erkrankt. Wenn das Zentrum offen hat, ist sie da. Vielen Oberallgäuern mit psychischen Erkrankungen ist die Tagesstätte der Einrichtung zu einer tragenden Stütze in ihrem Leben geworden.
"Es ist wichtig ein Ziel zu haben, um morgens aufzustehen", sagt eine Frau, die an Depressionen leidet. Der Tag werde kurzweiliger, weil man sich in dem Zentrum beschäftigen könne. Sie will jetzt sogar nach Immenstadt ziehen, um schneller da zu sein. "Am Anfang war es für mich sehr wichtig, Kontakt zu anderen zu bekommen. Ich habe wieder Kraft in mir gespürt", sagt auch Sonja Deppe, die nach einem Autounfall erkrankte. Aussagen wie diese kann die Leiterin der Einrichtung, Barbara Holzmann, nur bestätigen. "Unser Leitmotiv ist, dem Tag einen Sinn zu geben", sagt sie. Etwa mit dem Mittagstisch. Eine Fachkraft bereitet mit den Klienten regelmäßig Essen zu. Ohne Fertigprodukte und Küchenmaschine. Denn Karotten schnippeln und Salat putzen sind hier Therapie.
Wer sich beteiligt, hat für sich eine sinnvolle Beschäftigung entdeckt. Genau das zählt für die 65 bis 70 Menschen aus dem südlichen Oberallgäu, die die Angebote der Tagesstätte nutzen. Beim Mittagstisch ist zudem wichtig: Man erhält etwas Gesundes zu essen. "Der Ernährungszustand vieler psychisch Kranker ist desolat", sagt Holzmann. Deshalb gebe es im sozialpsychiatrischen Zentrum nur frische Gerichte, viele davon vegetarisch.
Auch in anderen Bereichen setzt die Einrichtung auf Mitarbeit. Egal ob Thekendienst, Putzen oder Waren für den "Ebbes"-Laden in Sonthofen zu etikettieren: Jeder der will, kann sich daran beteiligen, erklärt Holzmann. Dank einer Oberallgäuer Duftöl-Firma erhalte die Einrichtung auch immer wieder Aufträge aus der Wirtschaft - etwa zum Schachteln falten oder Proben einkleben.
Wie Holzmann weiter erklärt, gibt es für die Klienten als Lohn der Arbeit ein kleines Taschengeld. Und, was oft noch wichtiger ist: Ihnen wird Zeit gelassen, ihre Aufgabe zu erfüllen. "Wir arbeiten ganz ohne Druck", hebt die Leiterin hervor.

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Vom Kochen über die Auftragsarbeiten bis zu Kreativ-Angeboten: Für all das hat die Einrichtung in Immenstadt nun mehr Platz als früher in Sonthofen. Im Erdgeschoss gibt es sogar einen Ruheraum, in den sich jeder nach Bedarf zurückziehen kann. "Der ist vor allem für Menschen mit Psychosen wichtig. Denen herrscht in der Tagesstätte zu viel Betrieb", so Holzmann.
Noch ein Pluspunkt: Verwandte Einrichtungen wie der sozialpsychiatrische Dienst oder das ambulant betreute Wohnen sind im selben Haus untergebracht. Die Besucher des Zentrums können in Kooperation mit der psychiatrischen Institutsambulanz des Bezirkskrankenhauses Kempten vor Ort auch Termine vereinbaren. "Viele brauchen einen Facharzt, haben von Krankenhäusern aber die Nase voll; andere ertragen die Wartezimmersituation bei niedergelassenen Ärzten nicht", erklärt die Leiterin. So sichere das sozialpsychiatrische Zentrum bei zahlreichen Besuchern ab, dass ihre Krankheit überhaupt behandelt werde.