Artikel: Ein Öü als Skipass

19. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

Heimatschrift Unser Oberstdorf schildert alte Winterfreuden Von Peter Schwarz Oberstdorf Wer die kehligen Vokallaute öü für hochdeutsch auch richtig rausbrachte, musste ein Oberstdorfer Bub oder Mädchen sein. Der Dialektausdruck bildete gewissermaßen den Skipass, um gratis den Karatsbichl-Schlepplift benutzen zu dürfen. So zünftig ging es einst zu im Skigebiet am Karatsbichl, wo das Skilaufen in Oberstdorf seinen Anfang nahm. In der jüngsten Ausgabe der von Elfriede Ruhrberg redigierten heimatgeschichtlichen Schrift Unser Oberstdorf schildert Marie-Luise Althaus die alten Winterfreuden. Heft 41 dieser fortlaufend nummerierten ortshistorischen Schriftenreihe des Verschönerungsvereins schlägt zwischen den Seiten 1381 und 1434 einen weiten Bogen vom Karatsbichl als Teil der Oberstdorfer Skigeschichte bis hin zu Jagdrechnungen aus dem Besitz des einstigen Oberförsters Joseph Schwarzkopf. Den geschichts- und traditionsbewussten Eingeborenen dürfte bei der Lektüre wieder einmal das Herz aufgehen. Werden doch die Älteren unter ihnen an eigene Kindheitserlebnisse etwa mit den Ski-Pionieren Hermann und Lise Schedler zurückerinnert und die Jüngern an die Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. Karatsbichl-Wirtin und Schedler-Tochter Marie-Luise Althaus steuert zu ihrem Text über die Piste am Conratsbühel so der historische Name allerlei Fotos vom damaligen weißen Vergnügen hinzu. Auf den Hangwiesen tummelten sich einst gar königliche Hoheiten und der Geldadel, brav den Anweisungen von Skilehrer Hermann Schedler folgend. Die holländische Königin Juliane war auch darunter.

Erst als der Höllwies-Lift 1962 gebaut wurde, ging es mit der Ski-Herrlichkeit am Karatsbichl zu Ende. Das einst als Skihütte erbaute Gasthaus hat aber seine gute Stube mit dem Kachelofen bewahrt und bietet noch immer einen gepriesenen Kaiserschmarren an. Den Gegenpol zu anekdotenhaften Skierlebnissen bilden die Farbablichtungen der Kolossalfenster des Kölner Doms, die einst ein Oberstdorfer Künstler entworfen hat: Josef Anton Fischer. Mit dem einstmals bayernweit hoch angesehenen Historienmaler des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich Dr. Kurt Eberhard, nach längerer Pause wieder einmal als Autor für Unser Oberstdorf tätig. Eberhard war einer der früheren Chefredakteure dieses unter weiß-blauen Heimatkundlern sehr angesehenen Periodikums. Aber auch die penibel aufgelisteten Darlegungen über die Alpe Dietersbach von Dr. Thaddäus Steiner und die recherchierte spannende Entwicklung des einst wie eine Sprossenleiter lang gestreckten Bergdorfs zum heutigen kreisrunden Erscheinungsbild (Autor Sepp Noichl) dürften wieder ihre geneigte Leserschaft finden. Unser Oberstdorf, Blätter zur Heimatkunde. Heft 41, Herausgeber Verschönerungsverein, Abonnement-Bestellungen über A. Hofmann, Weststraße 1, 87561 Oberstdorf.