Heimatgeschichte Der Geschäftsmann Dr. Fritz Enz wäre heute 100 Jahre alt geworden">

Artikel: Ein Leben für die Gablonzer Industrie

25. September 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Heimatgeschichte Der Geschäftsmann Dr. Fritz Enz wäre heute 100 Jahre alt geworden

Von Manfred Heerdegen |NeugablonzMai 1945: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt die Vertreibung von drei Millionen Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei. Zur Jahreswende 1945/46 liegt der damaligen bayerischen Staatsregierung eine Denkschrift der in München wirkenden "Sudetendeutschen Hilfsstelle" vor. Darin heißt es: "Bayern steht vor der unabwendbaren Tatsache, nahezu einer Million Menschen eine neue Heimat bieten zu müssen." Die Denkschrift enthält den Vorschlag, sudetendeutsche Gewerbezweige, darunter auch die Gablonzer Industrie, planmäßig und geschlossen in Bayern anzusiedeln.

Der Autor dieser Denkschrift, Dr. Fritz Enz, wurde heute vor 100 Jahren, am 25. September 1908, als Sohn eines Schulleiters im westböhmischen Holschitz bei Komotau geboren. Der promovierte Jurist arbeitete von 1938 bis 1945 an führender Stelle bei der Wirtschaftskammer des Sudetenlands in Reichenberg. Im September 1945 gelangte Enz als Heimatvertriebener nach München, wo er bei der "Sudetendeutschen Hilfsstelle" mitwirkte und in ihrem Auftrag die bereits erwähnte Denkschrift verfaßte. Die amerikanische Besatzungsmacht wollte die Sudetendeutschen allerdings nicht geschlossen ansiedeln, sondern über ganz Bayern zerstreuen. Auf Druck der Amerikaner mußte die "Hilfsstelle" im Frühjahr 1946 ihre Tätigkeit beenden.

Treffen mit Erich Huschka

Fritz Enz hatte während seiner Zeit in München Erich Huschka kennen gelernt, der im Allgäu auf einem ehemaligen Rüstungsgelände ein "neues Gablonz" aufbauen wollte. Enz schloß sich der Gruppe um Huschka an und kam im Juli 1946 nach Kaufbeuren. In einem Rückblick auf jene Zeit erinnerte er sich: "Wenn sich auch die bodenständige Bevölkerung im Anfang begreiflicherweise reserviert verhielt, erkannte sie doch rasch, welch volkswirtschaftlicher Wert in den nach Arbeit und Verdienst drängenden Gablonzer Fachkräften steckte."

Von 1946 bis 1978 leistete Fritz Enz als Geschäftsführer der Gablonzer Industrie einen bedeutenden Beitrag zur Entstehung und Entwicklung des Stadtteils Neugablonz. Der anerkannte Fachmann nutzte seine ausgezeichneten politischen Kontakte zum Vorteil der Gablonzer und ihrer Industrie, die zeitweise fast die Hälfte des Kaufbeurer Gewerbesteueraufkommens erwirtschaftete. Enz befürwortete stets die Zugehörigkeit von Neugablonz zur alten Reichsstadt Kaufbeuren. Es war deshalb nur konsequent, daß er neben etlichen anderen Gremien von 1956 bis 1972 auch dem Stadtrat seiner neuen Heimat angehörte. Dort profilierte er sich vor allem als Haushaltsexperte und Fraktionssprecher der Freien Wähler.

Obwohl Fritz Enz 1973 bei einem schweren Verkehrsunfall ein Bein verloren hatte, trat er in den Jahren 1975/76 energisch dafür ein, im neuen "Gablonzer Haus" nicht nur ein Museum der alten Heimat, sondern auch eines über den Aufbau von Neugablonz und der Gablonzer Industrie nach 1945 vorzusehen. Dank großzügiger Spenden von Firmen und Privatpersonen konnte das Untergeschoß des "Gablonzer Hauses" entgegen der ursprünglichen Planung vollständig ausgebaut werden. Dieser Umstand ermöglichte 1976 die Einrichtung von zwei Heimatmuseen, die schließlich im 2003 eröffneten "Isergebirgs-Museum" aufgingen.

Als Pensionär widmete sich Enz ab 1978 dem Aufbau eines Archivs mit wichtigen historischen Quellenbeständen über den Stadtteil Neugablonz und die Gablonzer Industrie, deren "Steuermann" er mehr als 30 Jahre lang gewesen war. Der Träger zahlreicher Auszeichnungen starb nach schwerer Krankheit am 6. Januar 1990 in Kaufbeuren.