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Ein Könner auf dem Kutschbock

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Ein Könner auf dem Kutschbock

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    Manfred Raimann fährt begeistert mit zwei Pferdestärken und historischen Wagen. Von Martin Frei Buchloe/Wiedergeltingen Vor gut 15 Jahren hat sich Manfred Raimann einen Traum erfüllt. Neben seinem Haus in Wiedergeltingen baute er einen Stadel mit Pferdestall, kaufte sich Zugtiere und Kutsche und kann seither begeistert seinem Hobby nachgehen: dem Kutschefahren.

    Warum er sich so für das Kutschen begeistert, weiß Raimann selber nicht so genau. Von einem Bauernhof stammt er nicht und auch sonst hatte der gelernte Fernmeldemonteur keine besonderen Kontakte zu Pferden. Doch schon in jungen Jahren stand für ihn fest, dass der Kutschbock für ihn das Höchste ist. 'Früher wohnten wir in Miete. Da ging das nicht. Denn die Pferde müssen in der Nähe sein', erklärt Raimann, während er 'Niki' und 'Rinscha' in dem kleinen gepflasterten Hof hinter dem Wohnhaus die Geschirre anlegt. Routiniert zieht er die vielen Leder-Bänder durch die Ösen und Schnallen und verbindet die Pferde mit der offenen Kutsche.

    An der ruhigen und einfühlsamen Art, wie er die Tiere einspannt, wird deutlich, dass sich Raimann in den gut 15 Jahren, die er jetzt Kutscher ist, zum Profi entwickelte. 'Beim Kut-schefahren ist es wichtig, dass sich Mensch und Tier genau kennen und wissen, wie der jeweils andere reagiert.'

    Solide Ausbildung

    Doch Erfahrung allein reiche nicht, um ein Könner auf dem Kutschbock zu werden. Für Raimann war es eine Selbstverständlichkeit, eine solide Ausbildung zu absolvieren und das 'bronzene Fahrabzeichen', eine Art Kutschen-Führerschein, abzulegen. Dies sei zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben. 'Aber wenn man sich auf der Straße bewegt und so wie ich oft auch Gäste dabei hat, sollte man sein Gefährt schon gut im Griff haben'. Dass dies bei dem 56-Jährigen der Fall ist, beweist er gleich, als er nach der Abfahrt auf der Wiedergeltinger Hauptstraße links abbiegen will. Nach wenigen Griffen an den Leinen (so nennt man bei der Kutsche die Zügel) bremsen die beiden Zugtiere ab und warten geduldig, bis die entgegenkommenden Autos vorbeigefahren sind. Ein lockerer Griff an den Leinen und es geht wieder weiter.

    Schonend für die Tiere

    Mit einem Deut auf die Lederbänder in seiner Hand erzählt Raimann fachmännisch vom preußischen Rittmeister Achenbach, der dieses Steuerungssystem erfunden hat und dass dies viel schonender für die Tiere sei als andere Leinenführungen. Und auch die lange, grazile Peitsche, die Raimann locker in der rechten Hand hält, sei ein reines Steuerinstrument, das er bei Bedarf sanft auf die Rücken der Pferde legt. 'Zum Zuhauen ist die nicht da.' Dafür entfernt er mit ihr während der Fahrt über die Feld- und Waldwege an der Grenze zwischen Unter- und Ostallgäu so manch lästige Bremse vom Kopf der Pferde.

    Das verblüffendste Instrument zur Steuerung der Kutsche ist aber Raimanns Stimme. Ein ruhiges 'Komm' reicht und ohne, dass er an den Leinen etwas tut, laufen die Pferde schneller. Um die Tiere so weit zu bringen, kennt Raimann nur ein Rezept: Ein älteres, erfahrenes Pferd mit einem jungen zusammen einspannen. Bei 'Niki' und 'Rinscha' sind solche Tricks nicht mehr notwendig. Die beiden folgen aufs Wort, auch wenn der Wallach die Steigung an der 'Haisteig' zwischen Wiedergeltingen und Weicht etwas stürmischer angeht als seine jüngere Stallgefährtin.

    'Das Schöne am Kutschefahren ist: Man ist nie alleine, sondern hat immer mindestens einen Begleiter', schwärmt Raimann während er das Gespann durch die Auwälder entlang der Wertach steuert. Allein ist Raimann aber sowieso nicht oft, wenn er mit den Pferden unterwegs ist. Denn besonders im Sommer bietet er Kutschfahrten in die nähere und weitere Umgebung an. Außerdem fährt er Brautpaare zur Trauung, bei Festzügen, bei Kindergeburtstagen und bei verschiedenen Veranstaltungen. So übernimmt er zum Beispiel auch die Rundfahrten beim Buchloer Weihnachtsmarkt. 'Das ist immer nett. Man lernt Leute kennen, kommt ins Gespräch, und oft gibt es eine Riesengaudi.'

    'Bis auf einen Leichenwagen' hat Raimann inzwischen für fast jeden Anlass die passende Kutsche ­ und zwar nicht irgendeine. Die historischen Prachtstücke von der leichten Chaise bis zum herrschaftlichen Gefährt, die in seiner Garage stehen, hat Raimann fast alle in teilweise mehrjähriger Arbeit originalgetreu restauriert. 'Das einzige Zugeständnis an die moderne Zeit sind wegen der Sicherheit die Scheibenbremsen.' Ansonsten scheute Raimann keine Mühe, um in seiner Werkstatt möglichst perfekte Ersatzteile für diese altehrwürdigen Kutschen zu fertigen.

    Eine Passion mit vielen Facetten, die Raimann voll in Anspruch nimmt. 'Nach anfänglichen Schwierigkeiten steht die Familie inzwischen hinter mir', berichtet der Ehemann und Vater. Und trotz der vielen Arbeit die Pferde und Kutschen machen, habe er immer wieder großen Spaß an seinem Hobby. 'So eine Kutschfahrt freut mich mehr als irgendwohin zu fliegen.'

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