Von Arno Pürschel Oberstdorf - Der im zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts in der Oberstdorfer Maximilianstraße als Zweitältester von sieben Geschwistern geborene Fridl Müller ist die Personifizierung eines unverfälschten Alt-Oberstdorfer Urgesteins. Die Worte Bescheidenheit, Genügsamkeit und Zufriedenheit haben für ihn noch ihren ursprünglichen Stellenwert, denn in seiner Jugend hat er selbst erlebt, dass diese Eigenschaften wichtige menschliche Tugenden sind. Um unter den damaligen wirtschaftlichen Notzeiten zu überleben, musste er schon als Zehnjähriger sein Elternhaus verlassen, um sich bei einem Bauern in Dietmannsried gegen Kost und Logis als Jungknecht zu verdingen. Erst als herangewachsener Bursche kehrte er nach Oberstdorf zurück, um sich dort in der damaligen Spinnerei und Weberei Gyr, in der sein Vater Weber war, als angelernter 'Andreher' wenigstens mit Hilfsarbeit etwas Geld zu verdienen.'Selbst wenn ich die ganze Woche von morgens bis abends geschuftet habe, bin ich nur mit drei bis fünf Mark nach Hause gekommen', erinnert sich der inzwischen Neunzigjährige. 'Damit der Unterhalt unserer neunköpfigen Familie einigermaßen gesichert war, wusch und bügelte meine Mutter im Keller in Handarbeit die schmutzige Leibwäsche fremder Leute, aber auch die Bett- und Tischwäsche verschiedener Oberstdorfer Hotels', erzählt er. Mit dem sich langsam auch zu einer Einnahmequelle für die einfachen Leute entwickelnden Tourismus fand Fridl Müller dann als 17-Jähriger eine Lehrstelle beim benachbarten Schuhmachermeister Hans Tauscher. Nach seiner Lehr- und Gesellenzeit legte der junge Schuster die Meisterprüfung ab und richtete sich in einem leer stehenden Kuhstall seine erste Schuhmacherwerkstatt ein. Wenn er heute sagt: 'Jetzt konnte ich endlich frohen Mutes mein Können beweisen', huscht immer noch ein Leuchten über sein Gesicht.
Verschmitzt ergänzt er: 'Ich war nämlich mit großer Begeisterung bei der Sache.' Deshalb sei es für ihn 'kein Wunder' gewesen, dass er wegen der Qualität seiner handgenähten 'Griffschuhe' schon bald ein bei Einheimischen und prominenten Gästen besonders gefragter Schuhmacher war. Dies versetzte Fridl Müller in die Lage, seine Werkstatt ins Ortszentrum zu verlegen und in der Kirchstraße eine Schuhmacherei mit Verkaufsraum anzumieten. Ein mit 'Krampennägeln' und 'Jägerstiften' aus der Hindelanger Nagelschmiede beschlagener Bundschuh kostete in jener Zeit, je nach Ausführung und Lederqualität, zwischen 30 und 50 Mark, was damals noch viel Geld war. Allerdings steckten in diesem Preis auch die Leder- und Materialkosten und rund 20 Arbeitsstunden. 'Trotzdem hat mir jedes Mal das Herz gelacht, wenn ich ein solch’ prächtiges Paar Schuhe fertig hatte', freut er sich noch heute. Und noch heute schmunzelt er über einen Werbespruch für damals neue Gummisohlen: 'Steigst du nachts leise die Treppe auf Lucklein-Sohlen rauf, wacht deine Frau bestimmt nicht auf.'Als sangesfreudiger Mann trat Fridl Müller bereits in jungen Jahren in den Oberstdorfer Männergesangverein ein, in dem er 'seit ewigen Zeiten' als 'Freund unter Freunden' singt. Mit dem aufstrebenden Tourismus in den 50er Jahren entwickelte sich die Müllersche Schuhmacherei zu einem bekannten Geschäft mit gutem Namen. Seit zehn Jahren ist der inzwischen zum rüstigen 'Neunziger' gewordene Fridl Müller auch durch seine beiden Bücher 'A bizle vu freier, a bizle vu ietzd' und 'A old Obr’schtorfar vrzellt wied’r' mit Geschichten und Gedichten in Oberstdorfer Mundart als humorvoller Heimatdichter bekannt geworden. Der inzwischen zu einem philosophischen Beo-bachter seiner Mitmenschen gewordene Fridl Müller erzählt darin augenzwinkernd in Versform von seinen Begegnungen und Erfahrungen mit den originellen Bewohnern seines Heimatdorfes.